Der Engelsturm
meiner Krone gierst, oder nicht?«, brüllte er und zerrte an dem dunklen Reif. Josua starrte ihn sprachlos an. »Verfluchtes Eisen – es hat mich verbrannt, bis ich dachte, ich müsste den Verstand verlieren!« Aufstöhnend riss er sich den Reif vom Kopf und schleuderte ihn zu Boden. Auf seiner Stirn blieb eine eingebrannte Schattenkrone aus zerfetztem, versengtem Fleisch zurück.
Josua wich einen weiteren Schritt zurück, die Augen vor Entsetzen und Mitleid weit aufgerissen. Tränen rollten ihm über die Wangen. »Ich bete … o barmherziger Ädon! Ich bete für deine Seele, Elias.« Er hob den Arm mit der Lederstulpe, als wollte er den Anblick von sich fortschieben. »Ach Gott, du armer Mann.« Seine Haltung wurde wieder steif, er hob Naidel und richtete es auf den König, bis die Spitze vor Elias’ Brust bebte. »Aber du musst dieses verfluchte Schwert herausgeben. Pryrates kann jeden Augenblick hier sein. Ich kann nicht warten.«
Der König senkte das Kinn und spähte unter seinen Brauen zu Josua auf. Sein Kopf hing so schlaff, als hätte er das Genick gebrochen. Dort, wo die Krone gesessen hatte, rann ein großer Blutstropfen herunter.
»Ah. Ah. Sind wir denn so weit? Ich bin verwirrt, denn alles ist bereits geschehen … oder so kommt es mir vor …« Er riss das graue Ding hoch, das sich plötzlich verhärtete und sichtbar wurde, ein langes Schwert mit gefleckter Klinge und doppeltem Stichblatt, feurig funkelnd. Tiamaks Herz sank, aber er blieb, wo er war, und konnte den Blick nicht abwenden. Die Klinge glich einem Stück des sturmgepeitschten Himmels. »Nun gut …«, sagte der König.
Josua sprang mit einem wortlosen Aufschrei vor. Naidel zuckte wie ein Blitz. Der König schnippte einmal mit Leid und lenkte denHieb ab, erwiderte ihn aber nicht. Josua tanzte zurück, zitternd wie im Fieber. Tiamak fragte sich, ob schon die Berührung des grauen Schwertes mit seiner eigenen Klinge ihn so erschütterte. Wieder und wieder griff der Prinz an und bemühte sich minutenlang, die Verteidigung seines Bruders zu durchbrechen. Elias focht wie im Traum. Er bewegte sich krampfhaft und ruckartig, aber immer nur so viel, dass er Josuas Ausfälle abwehren konnte, wobei er jedes Mal bis zur letzten Sekunde wartete, als wisse er schon vorher, wohin der Prinz zielen werde.
Endlich wich Josua keuchend zurück. Der Schweiß auf seiner Stirn glänzte, als es in der Ferne aufblitzte.
»Siehst du«, meinte Elias, »es ist zu spät für deine einfältigen Methoden.« Er schwieg einen Augenblick. Ein sachtes Donnerrollen erschütterte die Glocken. »Zu spät.« Das rauchige Licht in seinen Augen wurde plötzlich grell, und er hob Leid hoch empor. »Aber nicht zu spät für mich, eine kleine Vergeltung für alles Böse, das du mir angetan hast, zu genießen – für meine tote Frau, meinen gefährdeten Thron, das vergiftete Gemüt meiner Tochter. Später werde ich mich um andere Dinge kümmern müssen. Aber wenigstens jetzt kann ich mich mit dir befassen, mein ehemaliger Bruder.«
Er trat einen Schritt vor, das Schwert ein düsterer Schatten in seiner Hand.
Josua wehrte sich verzweifelt, aber der König besaß übermenschliche Kräfte. Rasch trieb er Josua an das Südfenster und deckte ihn dort trotz seiner merkwürdig ungelenken Bewegungen mit so wuchtigen Schlägen ein, dass Josua kaum die lebenswichtigsten Körperteile schützen konnte. Sein schlankes Schwert war zu leicht, den König aufzuhalten, und schon bald taumelte Josua gegen das Fenstersims, unfähig, sich weiter zu verteidigen. Unvermittelt streckte Elias den Arm aus, packte Naidel bei der Klinge und riss es aus Josuas Griff. Tiamak, außer sich vor Verzweiflung, raste aus dem Treppenschacht, warf sich gegen den Rücken des Königs, der zum Schlag ausgeholt hatte, und zerrte an Elias’ Schwertarm.
Aber er war zu schwach, den Prinzen zu retten. Josua riss die Arme hoch, um sich zu schützen, aber schon sauste die graue Klinge auf seinen Hals nieder. Tiamak sah nicht, wo sie ihn traf, aber erhörte den schrecklichen, harten Aufprall und fühlte den Arm des Königs beben. Josuas Kopf zuckte. Der Prinz flog zur Seite. Aus seinem Hals quoll Blut. Er fiel zusammen wie ein leerer Sack und lag still.
Der König, von Tiamak aus dem Gleichgewicht geworfen, stolperte, griff mit der freien Hand nach oben und packte Tiamak am Genick. Eine Sekunde schloss sich die Hand des Wranna um Leid; das Schwert war so kalt, dass es ihn verbrannte. Ein grausamer Eisspeer bohrte sich in
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