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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zurückzudrehen, bevor man den Hochhorst mit allen möglichen Schutzsprüchen und Gebeten befestigte.«
    »Wir alle, die wir vor dem Turm standen, sahen die Verwandlung«, antwortete der Herzog langsam, von Simons Frage sehr überrascht. Er hatte fest angenommen, der junge Mann würde nach seiner neu entdeckten Familiengeschichte fragen. »Noch während wirgegen die Nornen kämpften, löste sich der Hochhorst vor unseren Augen auf. Überall standen ganz fremde Türme, und alles brannte. Es kam mir vor, als sähe ich … Geister, so muss man wohl sagen … die Geister von Sithi und Rimmersmännern in alter Tracht. Sie führten Krieg, mitten in unserer eigenen Schlacht. Was könnte es sonst gewesen sein?« Im klaren Nachmittagslicht, das durch die hohen Fenster strömte, kam Isgrimnur das Ganze plötzlich selbst phantastisch vor. Noch vor wenigen Tagen hatte die Welt im Bann von Magierwahnsinn und tödlichen Winterstürmen gelegen. Jetzt zwitscherte draußen ein Vogel.
    Simon schüttelte den Kopf. »Oh, ich glaube Euch. Schließlich war ich selbst dort. Innen war es noch viel schlimmer. Aber warum mussten wir ihnen die Schwerter bringen? Hellnagel lag zwei Jahre lang keine Meile vor ihrer Nase. Und wenn sie es wirklich gewollt hätten, hätten sie uns auch Dorn abnehmen können, entweder auf dem Rückweg von Yiqanuc oder als es auf einer Steinplatte im Haus des Abschieds auf dem Sesuad’ra lag. Es ergibt einfach keinen Sinn.«
    Jiriki nahm das Wort. »Ja, das ist vielleicht von allem am schwersten zu verstehen, Seoman. Einiges kann ich erklären. Als wir nämlich am Teich der Drei Tiefen mit Utuk’ku kämpften, wurden uns viele ihrer Gedanken klar. Sie schirmte sich nicht gegen uns ab, sondern setzte die Kraft, die sie dazu gebraucht hätte, lieber im Kampf um den Teich ein, den sie bezwingen und für ihre Zwecke nutzen wollte. Sie dachte, wir könnten ohnehin nicht mehr viel ausrichten, selbst wenn wir die Wahrheit kannten.« Seine langsam ausgebreiteten Hände schienen Bedauern auszudrücken. »Sie hatte recht.«
    »Ihr habt sie lange aufgehalten«, meinte Simon, »und soweit ich weiß, um einen hohen Preis. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn der Sturmkönig früher hätte zuschlagen können?«
    Jiriki lächelte dünn. »Von allen, die am Teich kämpften, begriff Likimeya in der kurzen Zeit, die wir Utuk’kus Gedanken lesen konnten, am meisten. Meine Mutter erholt sich nur langsam von der Auseinandersetzung mit ihrer Vorfahrin, aber sie hat vieles bestätigt, das wir anderen vermuteten.
    Die Schwerter waren wie lebende Wesen. Die, die sie trugen, kann das nicht überraschen. Ein großer Teil ihrer Macht beruhte,wie Binabik vom Mintahoq schon annahm, auf den außerweltlichen Kräften, die die Worte der Erschaffung in sie hineinbannten. Aber fast genauso große Macht lag in den Auswirkungen dieser Worte. Irgendwie waren die Klingen lebendig geworden. Sie waren keine Geschöpfe wie wir – nichts an ihnen könnten Sterbliche oder auch Sithi wirklich begreifen –, und doch lebten sie. Das machte sie mächtiger als alle anderen Waffen, aber auch schwerer zu beherrschen und zu benutzen. Man konnte sie rufen, und ihre Sehnsucht, sich zu vereinen und gemeinsam alle ihre Kräfte freizusetzen, musste sie am Ende in den Turm locken; aber man konnte sie nicht dazu zwingen. Ein Teil der furchtbaren Magie, die der Sturmkönig brauchte, damit sein Plan gelang – vielleicht der wichtigste Teil –, beruhte darauf, dass die Schwerter aus freiem Willen und zur rechten Zeit dem Ruf folgen mussten. Und sie mussten ihre Träger selbst wählen.«
    Isgrimnur beobachtete, wie Simon genau überlegte, bevor er sprach. »Aber Binabik hat mir auch erzählt, dass die Nornen in der Nacht, als Miriamel und ich Josuas Lager verließen, versuchten, Camaris zu töten. Und doch hatte das Schwert ihn bereits erwählt, und das schon vor langer Zeit. Warum wollten sie ihn dann umbringen?«
    »Ich habe vielleicht eine Art Antwort darauf«, sagte Strangyeard. Er machte noch den gleichen schüchternen Eindruck wie vor vielen Jahren, als Isgrimnur ihn zum ersten Mal gesehen hatte, aber neuerdings schien eine gewisse Kühnheit durchzuschimmern, die den Herzog staunen ließ. »Als wir aus Naglimund flohen, verhielten sich die Nornen, die uns verfolgten, sehr sonderbar. Herr Deornoth war der Erste, dem auffiel, dass sie … oh!« Er sah erschrocken auf.
    Etwas Großes, Graues raste in den Thronsaal. Es sprang auf die Stufen des Podestes und warf Simon

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