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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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getötet hat«, ergänzte Simon trocken. »Und was ist damit?« Trotz seiner Gelassenheit gärte es in ihm. Isgrimnur wunderte sich. Bevor der Herzog etwas sagen konnte, griff Jiriki ein. »Es tut mir leid, dass ich dir nicht früher sagenkonnte, was ich wusste, Seoman, mein Freund. Ich hatte Angst, es könnte dich belasten oder verwirren oder vielleicht zu gefährlichen Wagnissen verleiten.«
    »Das verstehe ich«, entgegnete Simon, aber es klang nicht erfreut. »Woher wusstet Ihr es?«
    »Eahlstan Fiskerne war nach dem Fall von Asu’a der erste sterbliche König, der den Zida’ya die Hand bot.« Draußen sank die Sonne, und der Himmel vor den Fenstern wurde allmählich dunkler. Ein frischer Wind wehte durch den Thronsaal und spielte mit den herumliegenden Bannern. Jirikis weißes Haar wehte. »Er kannte uns, und einige unseres Volkes trafen sich zu gewissen Zeiten mit ihm in den Höhlen unter dem Hochhorst, in den Ruinen unserer alten Heimat. Eahlstan fürchtete, dass das Wissen der Zida’ya auf immer verlorengehen könnte und dass wir uns nach dem Blutbad, das Fingil angerichtet hatte, vielleicht endgültig gegen die Menschen wenden könnten. Damit hatte er durchaus recht. Mein Volk hat den Sterblichen nie große Zuneigung entgegengebracht, so wie auch Eahlstans Volk uns nicht liebte. Aber in den Jahren seiner Herrschaft gab es erste, kleine Schritte, es wurden kleine Vertrauensbeweise ausgetauscht, und man kam einander vorsichtig näher. Wir, die daran beteiligt waren, hielten es geheim.« Jiriki lächelte. »Ich sage ›wir‹, aber ich war nur der Bote, der die Aufträge von Erster Großmutter ausführte; denn sie konnte ihre noch immer bestehende Anteilnahme am Schicksal der Sterblichen nicht bekannt werden lassen, nicht einmal in der eigenen Familie.«
    »Ich war immer eifersüchtig auf dich, Weidengerte«, lachte Aditu. »So jung, und schon solche wichtigen Aufgaben!«
    Wieder lächelte Jiriki. »Doch wie immer sich die Dinge entwickelt hätten, wenn Eahlstan am Leben geblieben wäre und sein Geschlecht nach ihm regiert hätte, es kam anders. Der Feuerwurm Shurakai erschien, und als er ihn tötete, kam Eahlstan selbst ums Leben. Ob sein späterer Nachfolger Johan etwas von Eahlstans geheimen Verbindungen zu uns wusste und fürchtete, wir könnten seine Lüge aufdecken, er sei der Drachentöter, oder ob seine Feindseligkeit uns gegenüber einen anderen Grund hatte, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls begann er schon bald, uns aus unserenletzten Verstecken zu vertreiben. Er fand sie nicht alle, vor allem entdeckte er niemals eine Spur von Jao é-Tinukai’i, aber er fügte uns großen Schaden zu. Im Lauf seines Lebens brachen fast alle unsere Beziehungen zu den Sterblichen ab.«
    Simon verschränkte die Hände. »Es tut mir leid, was mein Volk getan hat. Aber ich freue mich, dass mein Vorfahr ein solcher Mann war.«
    »Eahlstans Volk war vor dem Zorn des Drachen geflohen und hatte sich zerstreut. Schließlich, so habe ich gehört, gewöhnten sie sich an ihre Verbannung«, fuhr Jiriki fort. »Und als dann Johan kam und das Land eroberte, gab es für sie keine Hoffnung mehr, auf den Hochhorst zurückzukehren. Also bewahrten sie ihre Geheimnisse und lebten als Fischervolk am Wasser weiter, wie sie es in den Tagen von Eahlstan Fiskernes Voreltern getan hatten. Aber Eahlstans Ring blieb in der königlichen Familie und wurde von den Eltern auf die Kinder vererbt. Einer von Eahlstans Urenkeln, ein Gelehrter wie sein Ahnherr, lernte aus einer der von Eahlstan sorgsam gehüteten Schriftrollen die Runen der Sithi und ließ den Wahlspruch, der den Stolz der Familie – und Johans schändliches Geheimnis – überlieferte, in den Ring gravieren. Das war es, was Morgenes für dich aufbewahrte, Seoman: deine Vergangenheit.«
    »Und bestimmt hätte er mir eines Tages alles erzählt.« Simon hatte Jirikis Geschichte mit mühsam verhohlener Erregung gelauscht. Isgrimnur betrachtete ihn und suchte nach den Bruchstellen im Charakter des jungen Mannes, die er halb erwartete, halb fürchtete. »Aber was hat das alles jetzt noch zu bedeuten? Alles königliche Blut auf der Welt hat nicht verhindert, dass ich auf Pryrates und den Sturmkönig hereingefallen bin wie ein Tölpel. Es ist eine hübsche Geschichte, nicht mehr. In Nabban muss die Hälfte der adligen Familien Imperatoren unter ihren Vorfahren haben. Wenn schon!« Sein Kinn war kampflustig vorgestreckt.
    Mehrere der Anwesenden blickten auf Isgrimnur, der unbehaglich auf

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