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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Sithi anders sind als wir, Eolair, aber sie sind kühn wie Falken.«
    »Ja, und klug wie Schlangen. Ich habe nicht alles verstanden, was heute besprochen wurde, aber ich glaube, keiner von uns hat je eine Schlacht gesehen, wie sie in Naglimund stattfinden wird.«
    Isorn hob neugierig die Brauen. »Dann sollten wir uns die Einzelheitenaufheben, bis wir bei unserem Wein sitzen, aber es freut mich, das zu hören. Wenn wir am Leben bleiben, werden wir einmal Geschichten erzählen können, bei denen unsere Enkel staunen werden.«
    »Ja, wenn …«, sagte Eolair.
    »Kommt, wir wollen uns beeilen.« Isorns Stimme klang unbeschwert. »Ich bekomme langsam Durst.«
     
    Am nächsten Tag überquerten sie den Inniscrich. Das Schlachtfeld, auf dem Skali triumphiert und König Lluth die tödliche Wunde empfangen hatte, war an manchen Stellen noch verschneit. Aber aus dem Schnee ragten zahlreiche unregelmäßig geformte Erdhügel, und hier und da stachen ein Stück rostiges Metall oder ein verwitterter Speerschaft aus der weißen Schneedecke hervor. Obwohl viele stille Gebete und Flüche gesprochen wurden, verlangte es keinen der Hernystiri sonderlich danach, an diesem Ort zu verweilen, an dem man ihr Volk so vernichtend geschlagen hatte und so viele von ihnen gefallen waren. Für die Sithi hatte das Schlachtfeld ohnehin keinerlei Bedeutung, und so zog die große Schar rasch vorbei und setzte ihren Ritt den Fluss entlang nach Norden fort.
    Der Baraillean bildete die Grenze zwischen Hernystir und Erkynland. Das Volk von Utanyeat auf seiner östlichen Seite nannte ihn Grünwate. Jetzt wohnten nur noch wenige Menschen an beiden Ufern, obwohl man noch immer Fische fangen konnte. Das Wetter mochte wärmer geworden sein, aber Eolair konnte sehen, dass das Land fast ausgestorben war. Die wenigen Überlebenden der verschiedenen Schlachten, die hier am Südrand der Frostmark noch mühsam ihr Dasein fristeten, flohen jetzt vor dem herannahenden Heer der Sithi und Menschen, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass eine weitere Schar bewaffneter Eroberer ihnen etwas Gutes bringen könnte.
    Endlich, eine Wochenreise nördlich von Nad Mullach – die Sithi waren wie üblich schnell geritten –, kreuzte das Heer den Fluss und zog in Utanyeat ein, dem westlichsten Zipfel von Erkynland. Die Gegend schien immer grauer zu werden. Die dichten Morgennebel, die schon während des Ritts durch Hernystir den Boden bedeckthatten, lösten sich jetzt auch nicht auf, wenn die Sonne höher stieg, und vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung ritten sie durch kalten, feuchten Dunst, wie Seelen, die nach dem Tod in einer Wolkenwelt weiterexistieren. Es war, als hinge ein Leichentuch über den Ebenen. Die Luft war kalt und schnitt Eolair und seinen Gefährten ins innerste Mark. Bis auf den Wind und den gedämpften Schlag der Pferdehufe erfüllte Schweigen das weite Land. Nicht einmal die Vögel sangen. Nachts, wenn der Graf mit Maegwin und Isorn am Feuer kauerte, lag eine drückende Stille über der ganzen Welt. Es war, wie Isorn eines Abends bemerkte, als durchquere man einen riesigen Friedhof.
    Mit jedem Tag, der sie tiefer in dieses farblose, trostlose Land führte, beteten Isorns Rimmersmänner häufiger und schlugen vermehrt das Zeichen des Baumes und begannen sich über Nichtigkeiten bis fast zum Blutvergießen zu streiten. Auch Eolairs Hernystiri blieben nicht unbeeinflusst. Selbst die Sithi schienen zurückhaltender als sonst. Der ständige Nebel und die lastende Stille ließen jede Anstrengung hohl und sinnlos erscheinen.
    Eolair ertappte sich dabei, dass er auf ein baldiges Zeichen des Feindes hoffte. Das bedrohliche Gefühl, das über dem leeren Land hing, war ein heimtückischerer Gegner, als es ein Wesen aus Fleisch und Blut je sein konnte. Selbst die so furchterregend fremdartigen Nornen waren besser als diese Reise durch die Unterwelt.
     
    »Ich fühle etwas«, erklärte Isorn. »Es kribbelt mir im Nacken.«
    Eolair nickte und merkte gleich darauf, dass der Herzogssohn ihn ja im Nebel nicht sehen konnte, obwohl sie dicht nebeneinander ritten. »Ich spüre es auch«, erwiderte er.
    Nad Mullach lag jetzt neun Tage hinter ihnen. Entweder hatte sich das Wetter verschlechtert oder der Winter in diesem kleinen Winkel der Welt noch nicht nachgelassen. Der Boden war schneebedeckt, und zu beiden Seiten ihres Weges, einen niedrigen Hügel hinauf, türmten sich große, unregelmäßige Schneewehen. Die matte Sonne war nicht zu sehen, der Nachmittag so

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