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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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jeder, dachte sie verträumt. Jeder. Sie strich mit den Fingern sanft über seinen Hals, und Simon zuckte zusammen.
    »He! Was tut Ihr da? Das kitzelt!«
    »Ach, halt den Mund.« Sie lächelte hinter seinem Rücken, wo er es nicht sehen konnte.
    Sie stutzte auch die Haare über den Ohren und ließ nur vorn ein kleines Stück stehen, das in den Bart überging. Sie hob die Stirnhaare an und kürzte sie, trat dann zur Seite und vergewisserte sich,dass ihm das Haar nicht in die Augen fallen konnte. Die schneeweiße Strähne funkelte grell wie ein Blitz.
    »Dort hat dich das Drachenblut berührt.« Das weiße Haar fühlte sich nicht anders an als das rote, wenn es über ihre Fingerspitzen glitt. »Erzähl mir noch einmal, wie es war.«
    Simon schien eine scherzhafte Bemerkung machen zu wollen, unterließ es dann aber und sagte leise: »Es war … es war anders als alles andere, Miriamel. Es kam einfach über mich. Ich hatte Angst, und es war, als bliese jemand in meinem Kopf in ein Horn. Es brannte, als es mich traf. Viel mehr weiß ich nicht, bis ich dann in der Höhle bei Jiriki und Haestan aufwachte.« Er schüttelte den Kopf. »Aber es war mehr als nur das. Manche Dinge lassen sich schwer erklären.«
    »Ich weiß.« Sie ließ die feuchten Haarsträhnen fallen und holte tief Atem. »Ich bin fertig.«
    Simon hob die Hand und betastete seinen Hinterkopf und die Seiten. »Fühlt sich kurz an. Ich wünschte, ich könnte es sehen.«
    »Warte bis morgen, dann kannst du dich im Bach betrachten.« Sie merkte, dass sie wieder lächelte, töricht, grundlos. »Wenn ich gewusst hätte, dass du so eitel bist, hätte ich einen Spiegel mitgebracht.«
    Er warf ihr einen verächtlichen Blick zu und richtete sich auf. »Ich habe einen Spiegel«, krähte er, »Jirikis! Er steckt in meinem Reisesack.«
    »Aber ich dachte, dieser Spiegel sei gefährlich.«
    »Nicht, wenn man einfach nur hineinschaut.« Simon ging zu seinen Satteltaschen und stocherte so eifrig darin herum wie ein Bär, der in einem hohlen Baum nach Honig sucht. »Schon gefunden!« Plötzlich umwölkte sich seine Miene. Er zog die Hand mit dem Spiegel heraus, fuhr mit der anderen noch tiefer in die Satteltasche und wühlte.
    »Was ist?«
    Simon hatte seinen Beutel aus der Tasche geholt und brachte ihn zum Feuer. Er gab Miriamel den Sithispiegel, den sie vorsichtig und fast ängstlich festhielt, während er mit wachsender Verzweiflung in dem umfangreichen Beutel grub. Endlich gab er es auf und sah sie mit großen Augen an. In seinem Gesicht stand Kummer. »Er ist fort.«
    »Wer ist fort?«
    »Der Weiße Pfeil. Er ist nicht hier drin.« Er nahm die Hände aus dem Beutel. »Bei Ädons Blut! Er muss im Zelt geblieben sein. Wahrscheinlich habe ich damals vergessen, ihn wieder einzupacken.« Plötzlich machte er ein noch erschrockeneres Gesicht. »Hoffentlich habe ich ihn nicht schon oben auf dem Sesuad’ra liegen gelassen!«
    »Du hattest ihn doch wieder mit in dein Zelt genommen, oder? An dem Tag, als du ihn mir schenken wolltest?«
    Simon nickte langsam. »Ja, das stimmt. Er muss irgendwo im Zelt gelegen haben.« Er betrachtete seine leeren Hände. »Aber jetzt habe ich ihn nicht mehr.« Er lachte. »Ich wollte ihn weggeben. Das hat ihm wohl nicht gefallen. Binabik hat mir damals gesagt, ich sollte mit den Geschenken der Sithi nicht leichtfertig umgehen. Wisst Ihr noch, auf dem Fluss – auf unserer ersten Reise? Ich wollte damit angeben und fiel aus dem Boot.«
    Miriamel lächelte traurig. »Ich erinnere mich.«
    »Diesmal scheine ich es allerdings geschafft zu haben«, fuhr Simon betrübt fort und seufzte. »Da kann man eben nichts machen. Wenn Binabik den Pfeil findet, wird er auf ihn achtgeben. Und es ist ja auch nicht so, dass ich ihn unbedingt brauchte, um Jiriki etwas zu beweisen. Falls ich ihn überhaupt je wiedersehe.«
    Er zuckte die Achseln und versuchte zu lächeln. »Darf ich den Spiegel wiederhaben?«
    Er hielt ihn hoch und begutachtete sorgfältig seinen Haarschnitt. »Sehr schön. Hinten kurz. Wie bei Josua und solchen Leuten.«
    Er blickte zu ihr auf. »Wie bei Camaris.«
    »Wie bei einem Ritter.«
    Simon sah einen Moment nach unten auf seine Hand, streckte sie dann aus und griff nach Miriamels Hand. Er umschloss ihre Finger mit warmem Griff, wich aber ihrem Blick ein wenig aus. »Vielen Dank. Ihr habt es wirklich gut gemacht.«
    Sie nickte und wünschte sich verzweifelt, sie könnte ihre Hand wegziehen, seiner Nähe entkommen – und war doch zugleich selig

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