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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nicht sagen, ob in den verdunkelten Häusern und Kaufläden noch jemand lebte, aber sie hatte das deutliche Gefühl, dass man sie beobachtete, als spähten durch die Ritzen der Fensterläden heimlich Augen.
    Schon bald erreichten sie das Ackerland vor der Stadt. Der Regen hatte nachgelassen und war in ein sachtes Nieseln übergegangen. Miriamel zeigte Simon den Steinbruch, der von ihrer Warte oben auf der Triefholzstraße wie ein großes schwarzes Nichts aussah. Etwas weiter bergan gewahrten sie einen rötlichen Lichtschein, der über die unteren Wände der Grube flackerte.
    »Irgendwer hat dort ein Feuer angezündet«, sagte Simon, »und zwar ein großes.« »Vielleicht arbeiten sie«, versetzte Miriamel. »Aber ganz gleich, was sie tun, es geht uns nichts an. Je weniger Leute uns sehen, desto besser.«
    Sie führte sie von der breiten Straße hinunter in eine der kleinen Gassen, fort vom Steinbruch und wieder zurück zur Flussstraße. Der Weg war schlammig, und nach einer Weile entschied sich Miriamel dafür, eine Fackel anzuzünden, um nicht zu riskieren, dasssich eins der Pferde verletzte. Sie stiegen ab, und Simon gab sich alle Mühe, mit seinem Mantel den dünnen Nieselregen abzuhalten, während Miriamel sich mit dem Feuerstein plagte. Endlich gelang es ihr, einen Funken zu erzeugen, der den ölgetränkten Lappen in Brand setzte.
    Ein Stück weiter fanden sie einen brauchbaren Unterschlupf.
    Es war ein großer Schuppen, der in einem fast ganz von Unkraut und Dornengestrüpp überwucherten Feld stand. Das Haus, zu dem er anscheinend gehörte, lag mehrere Hundert Schritte weiter talab und machte einen verlassenen Eindruck. Zwar konnten die beiden nicht sicher sein, dass es wirklich unbewohnt war, aber es schien ihnen einigermaßen ungefährlich zu sein, den Schuppen in Beschlag zu nehmen. Sie würden es dort auf alle Fälle trockener und bequemer haben als unter freiem Himmel. Ihre Pferde banden sie an einen knorrigen, verdorrten Apfelbaum an der Rückseite des Schuppens, wo man sie unten vom Haus aus nicht sehen konnte.
    Im Inneren zeigte ihnen der Fackelschein mitten auf dem aus Erde gestampften Fußboden einen Haufen feuchtes Stroh und ein paar verrostete Werkzeuge mit gesprungenen oder fehlenden Griffen, die an der Wand lehnten. Die Nutzlosigkeit einer verwitterten Sichel bedrückte Miriamel, tröstete sie aber zugleich, weil sie ein Zeichen dafür war, dass man den Schuppen schon länger nicht benutzt hatte. Dadurch ermutigt, gingen die beiden wieder hinaus und holten ihre Satteltaschen.
    Miriamel schob das Stroh mit dem Fuß in zwei gleichmäßige Haufen und legte ihre Schlafdecken auf einen davon. Sie blickte sich prüfend um. »Ich wünschte, wir könnten ein richtiges Feuer machen, aber mir gefällt schon die Fackel nicht.«
    Simon hatte das brennende Holz in die Erde gesteckt, weit weg von dem Stroh. »Ich muss etwas sehen, wenn ich esse. Danach machen wir sie sofort aus.«
    Heißhungrig verschlangen sie, was von ihrer Mahlzeit noch übrig war, und spülten das trockene Brot mit kühler Milch hinunter. Dann wischten sie sich mit den Ärmeln Finger und Lippen ab. Simon sah auf. »Und was tun wir morgen?«
    »Reiten. Wenn das Wetter so bleibt, können wir getrost auch beiTag weiterziehen. Wir kommen sowieso in keine größere Stadt mehr, bis wir die Mauern von Falshire erreichen, also dürften kaum viele Leute unterwegs sein.«
    »Wenn die übrige Gegend so aussieht wie hier in Stanshire, werden wir keinem halben Dutzend Menschen begegnen.«
    »Vielleicht. Aber wenn wir hören, dass uns mehr als nur ein paar Reiter entgegenkommen, sollten wir trotzdem sofort die Straße verlassen.«
    Schweigen trat ein. Miriamel nahm einen letzten Schluck Wasser, kroch auf ihre Decken und zog den Mantel über sich.
    »Wollt Ihr mir immer noch nicht mehr von unserem Ziel erzählen?«, fragte Simon nach einer Weile. Sie konnte seiner Stimme entnehmen, dass er vorsichtig sein und sie nicht reizen wollte. Sein Zartgefühl rührte sie, aber gleichzeitig ärgerte sie sich, dass er sie wie ein Kind behandelte, das zu Wutanfällen neigt.
    »Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen, Simon.« Sie drehte sich um, unzufrieden mit sich selbst, aber nicht bereit, ihm ihr Herz auszuschütten. Sie hörte, wie auch er in seine Decken stieg, dann einen leisen Fluch, als er merkte, dass er vergessen hatte, die Fackel zu löschen. Er kroch zurück auf die andere Seite des Schuppens.
    »Mach sie nicht zu nass«, warnte Miriamel. »Dann

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