Der Engelsturm
geben!«
Maefwaru lachte, ein tiefes Grollen. »Ach ja? Verschwinde, Weib, bevor ich einen Pfeil nach dir schießen lasse.«
Ihr Mann zerrte sie fort. Mit Tränen in den Augen sah Gullaighn sich nach Miriamel um. »Verzeiht uns, Herrin. Sie fingen uns wieder ein und zwangen uns.«
Miriamels Herz war kalt wie Stein.
»Was willst du von uns, Feigling?«, fragte Simon hart.
Maefwaru lachte wieder und schnaufte ein wenig. »Es geht nicht darum, was wir von Euch wollen, junger Herr. Wichtig ist nur, was der Sturmkönig will. Und das werden wir heute Nacht herausfinden, wenn Ihr ihm dargebracht werdet.« Er winkte den anderen Weißgekleideten. »Bindet sie. Vor Mitternacht gibt es noch viel zu tun.«
Als der erste der Feuertänzer seine Arme packte, drehte sich Simon zu Miriamel um, Zorn und Verzweiflung im Gesicht. Sie wusste, dass er lieber gekämpft hätte, sich lieber töten lassen als einfach aufgeben wollte, es aber um ihretwillen nicht wagte.
Sie konnte ihm keinen Trost spenden. In ihr war nichts außer erstickender Furcht.
8
Eine Beichte
aegwin sang ein Lied.
An ihre Seite trat er da,
sein Mantel Seide, sein Gewand
von tiefem Schwarz und Gold sein Haar:
ein Jüngling, schön und unbekannt.
›Was wünscht Ihr Euch, o Jungfrau hold‹,
so fragte lächelnd er die Maid.
›Welch selt’ne Gabe fordert Ihr,
damit Ihr heut die Meine seid?‹
Die Jungfrau wandte das Gesicht.
›Kein Kleinod ist so reich und fein,
dass ich dafür das eine gäb,
das mir gehört und mir allein …‹
Der Jüngling schüttelt’ seinen Kopf,
und sprach mit Lachen: ›Jungfrau schön,
heut mögt Ihr noch verschmähen mich,
doch bald schon müsst Ihr mit mir gehn.
Denn wisst, mein Name, der heißt Tod,
und alles, was Ihr habt, wird mein …‹
Sinnlos. Noch immer übertönte das eigentümliche Klagen, das so großes Unheil zu verkünden schien, den Klang ihrer Melodie.
Allmählich verstummte Maegwins Lied. Sie starrte in die Flammen des Lagerfeuers. Ihre von der Kälte rissigen Lippen schmerzten beim Singen. Es stach in ihren Ohren, und ihr Kopf tat weh. Nichts war, wie es sein sollte – nichts, wie sie es erwartet hatte.
Dabei hatte es zuerst den Anschein gehabt, als käme alles in Ordnung. Sie war den Göttern eine pflichtgetreue Tochter gewesen und hatte sich darum nicht gewundert, nach dem Tod in ihre Gemeinschaft aufgenommen zu werden – nicht als Gleichgestellte natürlich, aber als vertraute Dienerin und Magd. Und auf ihre seltsame Art hatten die Götter sich wirklich als so wundersam erwiesen, wie sie es sich ausgemalt hatte, mit ihren unmenschlichen, blitzenden Augen und den Rüstungen und Kleidern, die in allen Farben des Regenbogens leuchteten. Selbst das Land der Götter hatte im Wesentlichen so ausgesehen, wie sie gedacht hatte, ähnlich ihrem eigenen geliebten Hernystir, aber besser, sauberer und heller. Der Himmel im Götterland erschien höher und blauer, als ein Himmel eigentlich sein konnte, der Schnee war weißer und das Gras so grün, dass die Farbe fast schmerzte. Sogar Graf Eolair, der ebenfalls gestorben und in diese herrliche Ewigkeit eingegangen war, wirkte offener, zugänglicher. Sie hatte ihm ohne Furcht und Scheu sagen können, dass sie ihn immer geliebt hatte. Und er, gleich ihr der Bürde seiner Sterblichkeit ledig, hatte ihr mit freundlicher Teilnahme zugehört – fast, als sei er selbst ein Gott.
Aber danach veränderten sich die Dinge zum Schlechteren.
Maegwin hatte geglaubt, dass sie und die anderen, noch lebenden Hernystiri eine Art Gleichgewicht verschoben hätten, als sie sich ihren Feinden entgegenstellten und dadurch die Götter in ihre Welt hinabriefen. Nun kämpfen die Götter ihren eigenen Kampf, wie die Hernystiri den ihren – aber der Krieg der Götter war noch nicht gewonnen. Vielmehr sah es so aus, als stehe das Schlimmste erst noch bevor.
Und so waren die Götter über die weiten, weißen Felder des Himmels geritten und hatten Scadach gesucht, das Loch, das ins Dunkel jenseits der Welt führte. Und sie hatten es gefunden. Kalt war es und schwarz, mit Steinen ummauert, gebrochen in den dunkelsten Winkeln der Ewigkeit, ganz so, wie die Hüter der Überlieferung esMaegwin gelehrt hatten, und wimmelnd von den übelsten Feinden der Götter.
Sie hatte nie geglaubt, dass solche Wesen existieren könnten, Geschöpfe des absoluten Bösen, schimmernde Gefäße der Leere und Verzweiflung. Aber sie hatte einen dieser Unholde auf den zeitlosen Wällen von
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