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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Kassierer namens Felipe Navarra das Gebäude zur Mittagspause verlassen. Seine Kollegen glaubten, er gehe zum Essen und zur Siesta mit seiner Frau nach Hause.
    Seine Frau glaubte, er treffe sich heimlich mit anderen baskischen Untergrundkämpfern. In Wirklichkeit würde Felipe Navarra zu einem Apartmenthaus in der Altstadt gehen, das unweit der Plaza de la Virgen Bianca lag, um dort den Nachmittag mit seiner Geliebten, einer schwarzhaarigen jungen Schönheit namens Amaia, zu verbringen. Das wußte der Engländer, weil er Navarra fast eine Woche lang beschattet hatte.
    Um 13 Uhr 15 verließ Navarra die Bank und ging in Richtung Altstadt davon. Der Engländer ließ eine Handvoll Geldstücke auf dem Tisch liegen - genug für seine Zeche und ein großzügiges Trinkgeld für den Kellner und folgte ihm unauffällig. Als ihr Weg über einen belebten Straßenmarkt führte, achtete er darauf, sicheren Abstand zu halten. Er brauchte Navarra nicht auf den Fersen zu bleiben; er wußte, wohin sein Opfer unterwegs war.
    Felipe Navarra war kein gewöhnlicher Bankkassierer. Er war ein aktiver Geheimagent der Euzkadi Ta Azkatasuna - Baskenland und Freiheit -, der besser als ETA bekannten Terrororganisation. Im Lexikon der ETA war Navarra ein »schlafender« Kommandosoldat. Er führte ein normales Leben, hatte einen normalen Job und erhielt seine Befehle von einem anonymen Kommandeur. Vor einem Jahr hatte er den Auftrag erhalten, einen jungen Beamten der Guardia Civil zu ermorden.
    Zu Navarras Pech war der Vater dieses Beamten ein erfolgreicher Winzer, der genügend Geld hatte, um eine großangelegte Suche nach dem Mörder seines Sohns zu finanzieren. Ein Teil dieses Geldes lag jetzt auf dem Schweizer Nummernkonto des Engländers.
    In Kreisen europäischer Terrorismusexperten stand die ETA in dem Ruf, in bezug auf Ausbildung und operative Disziplin mit der Irish Republican Army, kurz IRA, mithalten zu können, mit der der Engländer in der Vergangenheit zu tun gehabt hatte.
    Nach den bisherigen Beobachtungen des Engländers schien Felipe Navarra jedoch ein ziemlich leichtsinniger Geheimagent zu sein. Er ging auf dem kürzesten Weg zur Wohnung seiner Geliebten, ergriff keine Sicherheitsmaßnahmen und kontrollierte nicht einmal, ob er beschattet wurde. So war es ein Wunder, daß er's geschafft hatte, den Beamten der Guardia Civil zu ermorden und unerkannt zu entkommen. Der Engländer tat der ETA wahrscheinlich einen Gefallen, wenn er einen so unfähigen Agenten liquidierte.
    Navarra verschwand in einem Apartmenthaus. Der Engländer ging über die Straße in eine Bäckerei, in der er noch einen café con leche trank und zwei Stücke Feingebäck aß. Er arbeitete nicht gern mit leerem Magen. Er sah auf seine Uhr. Navarra war seit zwanzig Minuten drinnen - reichlich Zeit, um zur Sache zu kommen.
    Als er die stille Straße überquerte, hatte er eine amüsante Idee. Hätte er jetzt Navarras Frau angerufen, eine Rothaarige mit feurigem baskischem Temperament, hätte sie ihm wahrscheinlich die Arbeit abgenommen. Aber strenggenommen wäre das ein Vertragsbruch gewesen. Außerdem wollte er diesen Job selbst erledigen. Der Engländer tat seine Arbeit gern.
    Er betrat die kühle, dunkle Eingangshalle. Direkt vor ihm lag der Durchgang zu einem schattigen Innenhof. Rechts neben dem Eingang waren Briefkästen angebracht. Er ging zur Treppe und stieg rasch zur Wohnung der jungen Frau im dritten Stock hinauf.
    In der Wohnung lief ein Fernseher: irgendeine der schwachsinnigen Gameshows auf Antena 3. Sie half, die minimalen Geräusche zu übertönen, die sich nicht völlig vermeiden ließen, als der Engländer die Wohnungstür mit einem Dietrich öffnete. Er trat über die Schwelle, schloß die Tür hinter sich und sperrte sie von innen ab. Dann ging er auf leisen Sohlen ins Schlafzimmer.
    Navarra saß am Fußende des Betts. Die junge Frau kniete vor ihm auf dem Fußboden, ihr Kopf bewegte sich rhythmisch zwischen seinen Beinen. Navarras Finger waren in ihr Haar gekrallt, und er hielt die Augen geschlossen, so daß er die Anwesenheit eines Fremden im Schlafzimmer nicht bemerkte.
    Der Engländer fragte sich, warum sie sich zu einer Gameshow liebten. Jedem das seine, dachte er.
    Der Engländer durchquerte den Raum mit drei energischen Schritten, wobei der Fernseher das Geräusch seiner Schritte übertönte. Aus einer Scheide an seinem rechten Unterarm glitt ein Messer und fiel in seine Hand fläche. Es war die Waffe eines Soldaten: ein schweres

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