Der Engländer
Kampfmesser mit Wellenschliff und dickem Rohledergriff. Er hielt sein Messer so, wie er es in der Ausbildung am Standort seines alten Regiments auf einem windgepeitschten Moor in den englischen Midlands gelernt hatte.
Wer jemanden ersticht, hat den natürlichen Drang, es von hinten zu tun, damit Täter und Opfer sich nie von Angesicht zu Angesicht begegnen, aber der Engländer war dafür ausgebildet, mit einem Messer von vorn zu töten. In diesem Fall bedeutete das den Verlust des Überraschungsmoments, aber der Engländer war ein Gewohnheitsmensch und handelte am liebsten streng nach Vorschrift.
Er trat noch einen Meter vor, so daß er hinter der jungen Frau stand. Ihr schwarzes Haar fiel über ihren langen V-förmigen Rücken. Sein Blick folgte der Linie ihres Rückgrats bis zu der schlanken Taille, den sanft gerundeten Hüften und den straffen Gesäßbacken hinunter.
Navarra öffnete die Augen. Er bemühte sich verzweifelt, die junge Frau wegzustoßen. Der Mörder nahm ihm diese Arbeit ab, indem er sie am Haar packte und durch den Raum schleuderte, so daß sie auf dem Hintern über den Holzboden rutschte und eine Stehlampe umwarf.
Ohne den Eindringling aus den Augen zu lassen, griff Navarra über die zerwühlten Bettlaken hint er sich und tastete mit einer Hand seine dort in einem wüsten Haufen liegende Kleidung ab.
Also hatte er eine Schußwaffe. Der Engländer trat vor, packte den Basken mit der linken Hand an der Kehle und drückte seinen Kehlkopf fast bis zur Grenze der Belastbarkeit zusammen. Dann stieß er den Mann aufs Bett zurück, wälzte sich auf ihn und stemmte ihm ein Knie in den Unterleib. Der Baske drehte und wand sich, während er nach Luft rang; aus seinem Gesichtsausdruck sprach eine Mischung aus panischer Angst und völliger Resignation.
Der Engländer holte weit aus, stieß sein Messer in das weiche Gewebe unter Navarras Brustkorb und zielte bei diesem Stoß nach oben aufs Herz. Die Augen des Mannes drohten aus ihren Höhlen zu quellen, und sein Körper wurde starr. Blut pulsierte über die Messerklinge.
Der Engländer zog sein Messer aus der Brust des Toten und stand auf. Die junge Frau hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt. Jetzt trat sie vor und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. »Für wen hältst du dich, verdammt noch mal?«
Der Engländer wußte nicht recht, wie er ihr eigenartiges Verhalten deuten sollte. Sie hatte eben mit ansehen müssen, wie er ihren Geliebten erstach, aber sie benahm sich, als sei er mit schmutzigen Stiefeln über ihren sauberen Fußboden getrampelt.
Sie schlug ihm wieder ins Gesicht. »Ich arbeite für Aragon, du Idiot! Ich spiele seit einem Monat Navarras Geliebte. Wir wollten ihn demnächst verhaften und seine ganze Zelle auffliegen lassen. Wer hat dich hergeschickt? Jedenfalls nicht Aragon. Der hätte mich vorher gewarnt.«
Sie stand da, wartete auf seine Antwort, schien sich ihrer Nacktheit nicht zu schämen.
»Ich arbeite für Castillo«, sagte er ruhig und in akzentfreiem Spanisch. In Wirklichkeit kannte er niemanden, der Castillo hieß - das war nur der erste Name, der ihm eingefallen war. Wo hatte er ihn gesehen? In der Bäckerei? Richtig! So hieß der Bäcker auf der anderen Straßenseite.
»Wer ist Castillo?« fragte sie.
»Der Mann, für den ich arbeite.«
»Arbeitet Castillo für Aragon?«
»Woher soll ich das wissen? Warum rufst du nicht einfach Aragon an? Er soll Castillo anrufen, damit wir diesen Scheiß aufklären können.«
»Wird gemacht.«
»Ruf ihn vom Telefon dort drüben an.«
»Worauf du dich verlassen kannst, Arschloch!«
»Beherrsch dich gefä lligst, bevor alle Parteien im Haus mitbekommen, daß wir gerade einen Mann ermordet haben.«
Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust, als nehme sie ihre Nacktheit erstmals wahr. »Wie heißt du?«
»Meinen Namen sage ich dir nicht.«
»Warum nicht?«
»Woher soll ich wissen, daß du wirklich für Aragon arbeitest?
Vielleicht hast du mit deinem Lover hier zusammengearbeitet.
Vielleicht gehörst du seiner Zelle an. Vielleicht rufst du ein paar seiner Freunde an, damit sie kommen und mich liquidieren.«
Er hob sein blutiges Kampfmesser und fuhr mit einem Daumen über die Klinge. Die junge Frau machte ein finsteres Gesicht. »Denk nicht mal daran, das zu versuchen. Scheißkerl!«
»Sieh zu, daß du Aragon an den Apparat bekommst. Dann sage ich dir meinen Namen.«
»Du sitzt echt in der Scheiße.«
»Ruf einfach Aragon an, dann erkläre ich ihm alles.«
Sie
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