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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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erwiesen ihm Gefälligkeiten.
    Die Finanzoligarchie der Schweiz hatte stets einer unsichtbaren Hand auf seinem Rücken geglichen, die ihm Schritt für Schritt die Karriereleiter hinaufhalf. Aber dies war keine Einbahnstraße.
    Auch Peterson erwies seinen Gönnern Gefälligkeiten, deshalb saß er jetzt am Steuer seines Mercedes und fuhr in raschem Tempo durch den düsteren Kernwald. Am Fuß der Berge erreichte er eine Straße mit dem Hinweis PRIVAT. Er folgte ihr bis zu einem imposanten Tor aus schwarzem Schmiedeeisen.
    Peterson kannte sich hier aus. Als er den Wahlhebel des Automatikgetriebes in Stellung P brachte und sein Fenster herunterließ, trat ein Wachposten aus einer kleinen Hütte. Er bewegte sich mit dem geschmeidigen, präzisen Schritt eines Mannes mit langer Militärausbildung. Peterson konnte sehen, daß er unter seinem blauen Anorak ein Schulterhalfter mit einer Waffe trug.
    Peterson steckte seinen Kopf ins Freie. »Ich heiße Köhler.«
    »Kommen Sie zur Konferenz, Herr Köhler?«
    »Tatsächlich soll ich dabei für Unterhaltung sorgen.«
    »Bitte folgen Sie der Straße zum Haus. Dort wartet mein Kollege auf Sie.«
    Obwohl das Gebäude im Stil eines traditionellen Schweizer Chalets gehalten war, wirkte es durch seine riesige Baumasse fast grotesk. Es war auf einer Seite tief im Berghang verankert und schien voller Zufriedenheit über das zu seinen Füßen liegende Tal hinauszustarren. Peterson traf als letzter Konferenzteilnehmer ein. Die anderen waren längst da. Sie waren aus Zürich und Bern, aus Zug und Luzern, aus Genf und Basel zusammengekommen. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, waren sie wie immer einzeln angereist und in unregelmäßigen Abständen eingetroffen. Alle waren Schweizer.
    Ausländer hatten keinen Zutritt. Ausländer waren der Grund dafür, daß ihre Vereinigung überhaupt existierte.
    Die Konferenz würde wie gewöhnlich in dem weitläufigen, von Panoramafenstern geprägten Wohnbereich im ersten Stock des Hauses stattfinden. Hätte einer der Männer sich die Mühe gemacht, an die Fenster zu treten, hätte er eine wirklich einzigartige Aussicht auf einen Teppich aus glitzernden Lichtern auf dem Talboden, der zeitweise durch vorn Wind aufgewirbelte Schneeschleier verdeckt wurde, genießen können. Statt dessen bildeten sie kleine Gruppen, rauchten, unterhielten sich halblaut und tranken Tee oder Kaffee. In diesem Haus gab es keine alkoholischen Getränke. Herr Gessler, ihr Gastgeber, trank nur Tee oder Mineralwasser und war Vegetarier. Auf diese strikte Diät führte er seine bemerkenswerte Langlebigkeit zurück.
    Trotz des privaten Ambientes bestand Herr Gessler darauf, ihre Besprechungen wie Vorstandssitzungen abzuhalten. Seine Gäste saßen nicht auf den bequemen Sitzgarnituren, sondern an einem langen Konferenztisch. Pünktlich um achtzehn Uhr ging jeder Mann zu dem ihm zugewiesenen Stuhl und blieb dahinter stehen.
    Im nächsten Augenblick öffnete sich eine Tür, dann erschien ein weiterer Mann. Er war schmächtig und gebrechlich, hatte schütteres weißes Haar, trug eine dunkle Brille und stützte sich auf den Arm seines jungen Leibwächters. Erst nachdem er oben am Tisch Platz genommen hatte, setzten sich auch die anderen.
    Am Tisch stand ein Stuhl zuviel, ein bedauerliches Versehen.
    Nach kurzem, betroffenem Schweigen ergriff ein Sicherheits-mann die Initiative, hob ihn an der Lehne hoch und trug ihn hinaus.
    Im Zimmer nebenan starrte Gerhardt Peterson ins Objektiv einer Videokamera wie ein Talkshowgast, der darauf wartet, von einem anderen Ort aus zugeschaltet zu werden. So war es bei jedem seiner Besuche. Hatte Peterson vor dem Rat zu erscheinen, wurden sein Bild und seine Stimme elektronisch nach nebenan übertragen. Er hatte Herrn Gessler oder die anderen Männer noch nie gesehen - zumindest nicht in Verbindung mit dem Rat. Herr Gessler sagte, dieses eigenartige Arrangement diene ihrem und - was vielleicht noch wichtiger war - auch seinem Schutz.
    »Gerhardt, sind Sie bereit?«
    Das war die brüchige Stimme von Herrn Gessler, die aus dem kleinen Ohrhörer noch dünner klang.
    »Ja, ich bin bereit.«
    »Wir haben Sie hoffentlich von keiner wichtigen dienstlichen Tätigkeit weggeholt, Gerhardt.«

    »Keineswegs, Herr Gessler. Nur von einer Behördenbesprechung über Drogenhandel.«
    »Reine Zeitverschwendung, dieser unsinnige Kampf gegen den Drogenhandel.«
    Gessler war für seine plötzlichen Abschweifungen berüchtigt.
    Peterson faltete seine Hände und wappnete sich

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