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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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großen Tüte Lebensmittel in der Villa des Engländers.
    Orsati stammte aus einer vornehmen Familie, aber in Kleidung und Geschmack unterschied er sich nicht wesentlich von dem paesanu, der sein Gemüsebeet am Straßenrand bestellt hatte. Er trug ein Hemd aus gebleichtem Leinen, das bis zur Mitte seines mächtigen Brustkastens aufgeknöpft war, eine schwarze Cordsamthose und staubige Ledersandalen. Das »Mittagessen«, das er mitbrachte, bestand aus einem Laib Landbrot, einer Flasche Olivenöl, einem halben korsischen Schinken und einem Klumpen würzigen Käse. Der Engländer lieferte den Wein dazu.
    Der Nachmittag war warm, deshalb aßen sie auf seiner Terrasse mit Blick übers Tal im sonnenfleckigen Schatten zweier weit ausladender Kiefern.
    Orsati gab dem Engländer einen Scheck seiner Exportfirma Orsati Olive Oil. Alle seine Killer waren offiziell bei seiner Firma angestellt. Der Engländer leitete als Vizepräsident die Marketingabteilung, was immer darunter zu verstehen war.
    »Dein Anteil am Honorar für die Spaniensache.« Orsati tunkte ein Stück Brot in Olivenöl und schob es sich in den Mund.
    »Irgendwelche Probleme?«
    »Das Mädchen hat für den spanischen Sicherheitsdienst gearbeitet.«
    »Welches Mädchen?«
    »Navarras Geliebte.«
    »Scheiße! Was hast du gemacht?«
    »Sie hat mein Gesicht gesehen.«
    Orsati dachte über diese Mitteilung nach, während er ein Stück Schinken absäbelte und auf den Teller des Engländers legte. Keiner der beiden Männer mochte unbeteiligte Opfer. Sie waren meistens schlecht fürs Geschäft.

    »Wie fühlst du dich?«
    »Ich bin müde.«
    »Du schläfst noch immer nicht gut?«
    »Nicht, wenn ich im Ausland unterwegs bin, um einen Mann zu liquidieren.«
    »Und hier?«
    »Besser.«
    »Du solltest versuchen, heute früh zu schlafen, statt bis spätnachts mit den Alten aus dem Dorf zusammenzuhocken.«
    »Warum?«
    »Weil ich einen neuen Auftrag für dich habe.«
    »Ich komme gerade von einem Job zurück. Gib ihn einem der anderen.«
    »Er ist zu diffizil.«
    »Hast du ein Dossier?«
    Nach dem Mittagessen schwamm Orsati träge ein paar Runden im Swimmingpool, während der Engländer das Dossier las. Als er fertig war, hob er den Kopf. »Was hat dieser Mann getan, um den Tod zu verdienen?«
    »Er hat offenbar etwas sehr Wertvolles gestohlen.«
    Der Engländer klappte das Dossier zu. Er machte sich kein Gewissen daraus, jemanden zu töten, der seinen Lebensunterhalt mit Diebstählen bestritt. Seiner Ansicht nach gehörten Diebe zu den niedrigsten Lebensformen der Erde.
    »Warum werde ich für diesen Job gebraucht?«
    »Weil die Auftraggeber wollen, daß die Zielperson liquidiert und ihr Geschäft zerstört wird. Deine Ausbilder in Hereford haben dich im Gebrauch von Sprengmitteln unterwiesen. Meine Männer fühlen sich wohler, wenn sie nur mit konventionellen Waffen umzugehen brauchen.«
    »Woher bekomme ich einen Sprengsatz?«

    Orsati kletterte aus dem Pool und frottierte sich energisch sein dichtes silbergraues Haar. »Kennst du Pascal Debré?«
    Pascal Debré kannte der Engländer bedauerlicherweise nur allzu gut. Er war ein professioneller Brandstifter, der für eine von Marseille aus in Südfrankreich operierende Verbrecher-bande arbeitete. Mit Debré würde er vorsichtig umgehen müssen.
    »Du bist bereits bei Debré angemeldet. Von ihm bekommst du, was du für den Job brauchst.«
    »Wann muß ich los?«

8 - COSTA DE PRATA, PORTUGAL
    Allem Anschein nach hatte die junge Frau, die jetzt das renovierte ehemalige Kloster auf dem steilen Hügel mit Meeresblick bewohnte, einen Eid geleistet, das abgeschiedene Leben einer Asketin zu führen. Lange Zeit kannte niemand im Dorf auch nur ihren Namen. Senhora Rosa, das Klatschmaul an der Kasse im Lebensmittelgeschäft, gelangte zu der Überzeugung, sie sei von einem Liebhaber verschmäht worden, und belästigte mit ihrer zweifelhaften Theorie jeden, der das Pech hatte, an ihrer Kasse anzustehen. Rosa war es auch, die der Unbekannten den Namen Unsere Liebe Frau vom Hügel gab.
    Dieser Spitzname blieb ihr sogar dann noch, als ihr richtiger Name längst bekannt war.
    Sie kam jeden Morgen ins Dorf, um ihre Einkäufe zu machen, und raste dazu auf ihrem leuchtendroten Motorroller den Hügel hinunter, so daß ihr blonder Pferdeschwanz wie ein Banner hinter ihr herwehte. Bei schlechtem Wetter trug sie einen schlammfarbenen Anorak mit Kapuze. Viele Spekulationen befaßten sich damit, aus welchem Land sie kam. Sie sprach sehr wenig

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