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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Arbeitswoche. Er besaß einen Hund, der unaufhörlich kläffte.
    Oded, der die in seiner Wohnung installierten Wanzen von einem um die Ecke geparkten Lieferwagen aus überwachte, litt unter chronischen Kopfschmerzen. Er fragte Gabriel, ob er sich eine Beretta besorgen und den Köter abknallen dürfe, um endlich Ruhe zu haben. Und als Müller seinen Hund die Seine entlang spazierenführte, bettelte Oded um Erlaubnis, den Köter über die Kaibrüstung werfen zu dürfen.
    Am Samstagabend wurde die Monotonie durch die Ankunft eines Luxuscallgirls namens Veronique unterbrochen. Sie ohrfeigte ihn. Er weinte und nannte sie Mama. Das Kläffen des Hundes klang fieberhaft überreizt. Nach zwei Stunden mußte Oded, der sich eigentlich für einen Mann von Welt hielt, den Überwachungswagen verlassen, um frische Luft zu schnappen und in der Brasserie an der Ecke ein Bier zu trinken. »Der Fick des Jahrhunderts«, berichtete er Gabriel später. »Ein Seminar in Verderbtheit. Die Jungs von der Abteilung psychologische Kriegsführung am King Saul Boulevard werden diese Aufnahme in ihr Ausbildungsprogramm aufnehmen müssen.«
    Keiner war erleichterter als Oded, als ein grauer, feuchter Montag über Paris anbrach. Nach einem letzten Streit mit seinem Hund knallte Müller die Wohnungstür zu und verließ das Apartmenthaus. Oded beobachtete ihn mit blankem Haß im Blick durch die dunkelgetönten Scheiben des Überwachungswagens. Dann hob er sein Handfunkgerät an den Mund, um sich bei Gabriel im Hotel Laurens zu melden. »Romeo ist anscheinend in seine Galerie unterwegs. Jetzt ist er wieder euer Problem.«
    Und dann fing der Hund von neuem an - zuerst ein paar einzelne Kläffer wie das Knattern von Scharfschützenfeuer, dann regelrechtes Artillerietrommelfeuer. Oded nahm den Kopfhörer ab und vergrub sein Gesicht in den Händen.

16 - PARIS
    Wie Gabriel Allon kam der Engländer über die Côte d'Azur nach Paris, nachdem er die Nachtfähre Calvi-Nizza benützt hatte, um von Korsika aufs Festland zu gelangen. Wie es der Zufall wollte, nahm auch er sich in Nizza einen Leihwagen - allerdings nicht am Flughafen, sondern am Boulevard Victor-Hugo in der Nähe des Hafens. Der Wagen war ein Ford Fiesta, der deutlich nach rechts zog und die Fahrerei anspruchsvoller machte, als er sich gewünscht hätte.
    Eine Autostunde vor Paris hielt er an einer Raststätte und verschwand auf der Toilette. Dort zog er sich um, vertauschte Cordsamthose und Wollpullover gegen einen modischen schwarzen Anzug. Er benützte Theaterschminke, um sein aschblondes Haar platinblond zu färben, und setzte eine Sonnenbrille mit rosa Gläsern auf. Als er fertig war, erkannte er den Mann im Spiegel selbst nicht wieder. Aus seiner Reisetasche holte er einen kanadischen Paß und betrachtete das Photo: Claude Devereaux, noch zwei Jahre gültig. Er steckte den Paß in die Innentasche seines Jacketts und ging zu seinem Wagen hinaus.
    Als er am Spätnachmittag die Außenbezirke der Hauptstadt erreichte, regnete es halbherzig aus einem grauen, wolkenverhangenen Himmel. Er fuhr ins fünfte Arrondissement, wo er sich in einem kleinen Hotel in der Rue St. Jacques einquartierte. Er verbrachte den frühen Abend auf seinem Zimmer, machte ein Nickerchen und ging dann in die Hotelhalle hinunter, wo er seinen Schlüssel an der Rezeption abgab und sich einen Stapel von Stadtplänen und Tourismusbroschüren zusammensuchte. Er lächelte der Hotelangestellten am Empfang verlegen zu - Mein erster Aufenthalt in Paris.
    Draußen goß es in Strömen. Der Engländer warf das Informationsmaterial in den nächsten Abfallkorb und suchte sich auf den nassen Straßen des siebten Arrondis sements einen Weg zur Seine. Und um Punkt 21 Uhr stand er am Quai d'Orleans unter einer Platane, von der Regenwasser tropfte, und wartete auf Pascal Debré.
    Ein Frachtkahn, aus dessen Ruderhaus und Kajüte warmes gelbliches Licht fiel, glitt langsam an ihm vorbei. Nicht weit von ihm entfernt ließen drei Männer auf dem Kai eine Weinflasche herumgehen, während sie im Licht einer Straßenlampe angelten.
    Er zog den Mantelärmel hoch und sah auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr. Einige Minuten nach Mitternacht. Wo zum Teufel blieb Debré? Der Regen wurde noch stärker, klatschte aufs Pflaster des Kais. Er berührte sein Haar. Die Platinfarbe begann auszulaufen.
    Fünf Minuten später waren auf dem Kai Schritte zu hören. Er drehte sich um und sah einen Mann auf sich zukommen:
    Polyesterhose, billige Stiefel,

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