Der Engländer
Sprengsatz ist sehr einfach aufgebaut«, sagte Debré, mit seiner verstümmelten Rechten deutend. »Hier ist die Schaltuhr. Die kannst du auf eine Minute, eine Stunde, eine Woche einstellen. Alles frei wählbar. Hier ist der Zünder, hier die kleine Sprengladung. Diese Kanister enthalten das Flammöl. Über den Koffer samt Inhalt läßt sich keinerlei Verbindung herstellen. Selbst wenn er den Brand überdauern sollte - was höchst unwahrscheinlich ist -, kann er die Polizei weder zu dir noch zu uns führen.«
Debré klappte den Kofferdeckel zu. Der Engländer zog einen Briefumschlag voller Geldscheine aus der Tasche und ließ ihn neben den Koffer auf die Motorhaube fallen. Als er nach dem Koffer greifen wollte, legte Debré ihm seine verstümmelte Hand auf den Arm.
»Der Preis ist leider gestiegen, mein Freund.«
»Warum?«
»Sagen wir wegen unvorhergesehener Marktfluktuationen.«
Debré zog eine Pistole und zielte damit auf den Engländer. Der Fahrer trat hinter ihn. Der Engländer nahm an, daß er ebenfalls seine Waffe gezogen hatte.
Debré grinste. »Du weißt, wie solche Dinge ablaufen, mein Freund.«
»Tut mir leid, das weiß ich nicht. Willst du's mir nicht erklären?«
»Nach unserem ersten Gespräch habe ich angefangen nachzudenken.«
»Das muß ein ganz neues Erlebnis für dich gewesen sein.«
»Halt's Maul, Scheißkerl!«
»Entschuldige, daß ich dich unterbrochen habe, Pascal. Bitte weiter.«
»Ich habe mir eine simple Frage gestellt: Wozu braucht ein Mann wie mein Freund diesen Sprengsatz? Seine bevorzugte Waffe ist das Messer. Manchmal auch eine Pistole, aber im allgemeinen ein Messer. Dann bin ich auf die Antwort gekommen: Er braucht diesen Sprengsatz, weil seine Auftraggeber wollen, daß er ihn verwendet. Erhöhe ich meinen Preis, kann ihm das egal sein, weil er die Kosten einfach an seine Auftraggeber weitergibt.«
»Wieviel willst du?«
»Dreißig.«
»Vereinbart waren fünfzehn.«
»Die alte Vereinbarung gilt nicht mehr.«
»Und wenn ich nicht zahle?«
»Dann mußt du dir dein Paket anderswo besorgen. Tust du das, bin ich vielleicht versucht, einen unserer Freunde bei der Polizei anzurufen - einen der Leute, die wir mit Drogen und Mädchen versorgen. Diesem Freund könnte ich erzählen, daß du mit einem Auftrag in Paris bist.«
»Gut, ich zahle deinen neuen Preis, aber nachdem dieser Sprengsatz hochgegangen ist, rufe ich die Pariser Polizei anonym an und verrate, von wem ich ihn bekommen habe. Dank deiner Dummheit kann ich ihr sogar sagen, wo ich ihn übernommen habe. Dann durchsucht die Polizei dieses Lagerhaus, du wirst verhaftet, und deine Bosse schneiden dir die restlichen Finger ab.«
Jetzt war Debré nervös. Er machte große Augen, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und konnte nicht verbergen, daß seine Linke mit der Pistole zitterte. Er war es gewöhnt, daß die Leute Angst bekamen, wenn er ihnen drohte. Wie der Engländer hatte noch keiner reagiert.
»Also gut, du hast gewonnen«, knurrte Debré. »Es bleibt beim ursprünglichen Preis. Fünfzehntausend Euro. Nimm das verdammte Ding mit und verschwinde.«
Der Engländer beschloß, ihn noch etwas mehr unter Druck zu setzen. »Wie komme ich nach Paris zurück?«
»Das ist dein Problem.«
»Bis zu meinem Hotel ist's weit. Das Taxi kostet bestimmt ein Vermögen.« Er streckte eine Hand aus und nahm den Umschlag mit Geld wieder an sich. »Wahrscheinlich fünfzehntausend Euro.«
»Verdammt, was machst du da?«
»Ich nehme den Sprengsatz und mein Geld mit. Versuchst du, mich aufzuhalten, erzähle ich der Polizei von deinem Lagerhaus, und diesmal geben deine Bosse sich bestimmt nicht mit deiner Hand zufrieden.«
Debré hob seine Waffe. Der Engländer hatte ihn lange genug gewähren lassen. Es wurde Zeit, dieses Spiel zu beenden. Seine Ausbildung ließ ihn automatisch handeln. Mit einer blitzschnellen Bewegung, die für den Franzosen überraschend kam, packte er Debrés Arm, verdrehte ihn mit einem Ruck und brach ihn dabei mehrmals. Debré schrie vor Schmerzen, und die Pistole fiel scheppernd auf den Betonboden.
Nun war Debrés Partner an der Reihe. Der Engländer rechnete damit, daß er wegen Debrés Nähe nicht schießen würde, so daß ihm nur eine Möglichkeit blieb: Er mußte versuchen, den Engländer durch einen Schlag auf den Hinterkopf außer Gefecht zu setzen. Als der Engländer sich tief duckte, traf der Schlag über seinen Kopf hinweg ins Leere. Dann schnappte er sich Debrés Pistole und kam
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