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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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spielten. Noch einmal: Es ist verführerisch, die Sache so zu betrachten. Und ebenfalls noch einmal: Es ist ein Zeichen von Faulheit – schlechte poetische Wissenschaft. Viel näher kommt der Wahrheit ein Bild, das ebenfalls poetische Wissenschaft ist, aber – davon möchte ich den Leser mit diesem Kapitel überzeugen – gute poetische Wissenschaft: Danach ist der Wald ein anarchischer Zusammenschluss egoistischer Gene, die jeweils deshalb selektioniert wurden, weil sie in ihrem eigenen Genvorrat vor dem Hintergrund einer Umwelt aus allen anderen Genvorräten gut überleben können.
    Ja, in einem gewissen Wischi-Waschi-Sinn leisten die Lebewesen in einem Regenwald anderen Arten nützliche Dienste, und sie tragen sogar zur Aufrechterhaltung der gesamten Lebensgemeinschaft bei. Würde man alle Bodenbakterien entfernen, hätte das für die Bäume und letztlich für den größten Teil des Lebens im Wald entsetzliche Folgen. Aber das ist nicht der Grund, warum die Bodenbakterien dort sind. Ja, natürlich bauen sie tote Blätter, tote Tiere und Exkremente zu Kompost ab, der für das weitere Wohlergehen des ganzen Waldes nützlich ist. Aber sie tun es nicht um der Herstellung von Kompost willen. Sie nutzen die toten Blätter und Tiere als Nahrung für sich selbst, zum Wohl der Gene, die ihre Kompost erzeugende Tätigkeit programmieren. Und zufällig hat diese egoistische Tätigkeit nebenbei auch die Folge, dass sich der Boden aus Sicht der Pflanzen verbessert und dass diese von Pflanzenfressern verzehrt werden, die dann den Fleischfressern als Beute dienen. Die Arten in der Lebensgemeinschaft eines Regenwaldes gedeihen in Gegenwart anderer Arten, weil die gesamte Gemeinschaft das Umfeld darstellt, in dem ihre Vorfahren überlebt haben. Unter Umständen gibt es auch Pflanzen, die ohne üppig wachsende Bodenbakterien zurechtkommen, aber das sind nicht die Arten, die wir im Regenwald finden. Ihnen begegnen wir eher in der Wüste.
    Das ist der richtige Weg, mit der Verführung durch «Gaia» umzugehen, jener überschätzten, romantischen Phantasie, wonach die ganze Erde ein Lebewesen ist, wobei jede Art ihr Scherflein zum Wohl des Ganzen beiträgt und Bakterien beispielsweise die Gaszusammensetzung der Erdatmosphäre verbessern, was dann allen Lebewesen nützt. Das extremste Beispiel, das ich für diese Art schlechter poetischer Wissenschaft kenne, stammt von einem berühmten älteren «Ökologen» (die Anführungszeichen kennzeichnen einen Aktivisten grüner Politik im Gegensatz zu einem echten Fachmann für das Wissenschaftsgebiet der Ökologie). Ich erfuhr davon durch Professor John Maynard Smith, der an einer von der britischen Open University finanzierten Tagung teilgenommen hatte. Das Gespräch drehte sich um das Massenaussterben der Dinosaurier und die Frage, ob die Katastrophe durch einen Kometeneinschlag ausgelöst wurde. Der bärtige Ökologe war sich seiner Sache sicher. «Natürlich nicht», sagte er entschieden, « das hätte Gaia nicht zugelassen !»
    Gaia war die griechische Erdgöttin. Den Namen übernahm der englische Atmosphärenchemiker und Erfinder James Lovelock für die Personifizierung seiner poetischen Vorstellung, man solle die ganze Erde als ein einziges Lebewesen betrachten. Danach sind alle Einzelorganismen Gaias Körperteile, und wir wirken zusammen wie ein gut abgestimmter Thermostat, der auf Störungen reagiert und das Leben erhält. Zugegeben: Lovelock selbst ist peinlich berührt, wenn Leute wie der gerade zitierte Ökologe seine Idee überstrapazieren. Gaia ist zum Kult und fast zu einer Religion geworden, und davon möchte sich Lovelock verständlicherweise distanzieren. Aber manche seiner ersten Vermutungen erscheinen bei genauem Nachdenken kaum realistischer. Er äußerte zum Beispiel die Ansicht, Bakterien produzierten Methan, weil dieses Gas für die chemischen Abläufe in der Erdatmosphäre eine so wichtige Rolle spielt.
    Das wirft aber ein Problem auf: Man verlangt von den einzelnen Bakterien, sie sollten freundlicher sein, als es sich mit der natürlichen Selektion erklären lässt. Von ihnen wird erwartet, dass sie ausreichende Methanmengen produzieren, sodass es der ganzen Erde nützt. Da hilft auch die Begründung nicht, es diene langfristig ihren eigenen Interessen, weil sie mit dem Planeten sterben würden. Die natürliche Selektion lässt sich niemals von langfristigen Zukunftsaussichten leiten. Sie lässt sich von überhaupt nichts leiten. Verbesserungen kommen nicht durch

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