Der entzauberte Regenbogen
spaßig und einfach hinstellt, dann, so meine Befürchtung, hebt man sich die Schwierigkeiten für die Zukunft auf. Wahre Wissenschaft kann schwierig sein (nun ja, oder eine Herausforderung, um der Sache einen positiven Klang zu geben), aber wie klassische Literatur oder Geigespielen ist sie der Mühe wert. Lockt man Kinder mit dem Versprechen von leichtem Spaß in die Wissenschaft oder jede andere lohnende Betätigung, stellt sich die Frage: Was werden sie tun, wenn sie schließlich der Wahrheit ins Gesicht sehen müssen? Die Werbung für den Soldatenberuf verspricht zu Recht keinen Picknickausflug: Dort braucht man engagierte junge Leute, die ihren Mann stehen können. «Spaß» ist das falsche Signal, und es zieht Menschen aus den falschen Gründen in die Wissenschaft. Eine ähnliche Gefahr der Aushöhlung besteht auch in den Geisteswissenschaften. Dort werden Bummelstudenten zu wertlosen «Kulturstudien» verführt, und man verspricht ihnen, sie könnten ihre Zeit mit dem Auseinandernehmen von Seifenopern, Boulevardblattprinzessinnen und Fernsehspots verbringen. Naturwissenschaft kann genau wie echte Geisteswissenschaft schwierig und anstrengend sein, aber Naturwissenschaft ist – ebenfalls wie richtig betriebene Geisteswissenschaft – etwas Großartiges. Naturwissenschaft kann sich auszahlen, aber wie große Kunst sollte sie es nicht müssen. Und wir sollten weder tolle Kerle noch lustige Explosionen brauchen, um uns vom Wert eines Lebens zu überzeugen, das sich der Frage widmet, warum wir überhaupt ein Leben haben.
Ich fürchte, ich war mit diesem Angriff zu pessimistisch, aber manchmal schwingt das Pendel so weit nach einer Seite, dass es eines starken Stoßes in die Gegenrichtung bedarf, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Natürlich macht Wissenschaft Spaß in dem Sinn, dass sie das Gegenteil von langweilig ist. Sie kann einen intelligenten Geist ein Leben lang fesseln. Sicher können praktische Vorführungen helfen, Ideen lebendig und einprägsam zu machen. Von Michael Faradays Weihnachtsvorlesungen an der Royal Institution bis zu Richard Gregorys Bristol Exploratory haben Kinder sich immer für das handfeste Erleben wahrer Naturwissenschaft begeistert. Ich selbst hatte einmal die Ehre, die Weihnachtsvorträge in ihrer modernen Fernsehform zu halten, und dabei habe ich mich zahlreicher anschaulicher Vorführungen bedient. Faraday verdummte seine Zuhörer nie. Ich wende mich hier nur gegen die Art populistischer Prostitution, die das Staunenswerte an der Wissenschaft besudelt.
In London gibt es jedes Jahr ein großes Festessen, bei dem Preise für die besten populärwissenschaftlichen Bücher verliehen werden. Einer davon ist für Kinderbücher über Wissenschaft bestimmt, und er wurde kürzlich für ein Buch über Insekten und andere «entsetzliche, hässliche Krabbeltiere» vergeben. Solche Formulierungen sind vielleicht nicht besonders gut geeignet, das poetische Gefühl des Staunens hervorzurufen, aber wir wollen nachsichtig sein und zugestehen, dass man das Interesse von Kindern auch auf andere Weise wecken kann. Schwerer zu entschuldigen waren jedoch die Mätzchen der Juryvorsitzenden, einer bekannten Fernsehmoderatorin, die sich kurz zuvor an das lukrative Genre der Sendungen über «Paranormales» verkauft hatte. Mit dem fröhlichen Quieken einer Gameshow stachelte sie das große (aus Erwachsenen bestehende) Publikum an, mit ihr beim Betrachten der entsetzlich «hässlichen Krabbeltiere» immer wieder in einen Chor von Schreckenslauten einzustimmen: «Iiiihuuuh! Äh! Bäh! Pfuiii!» Solche vulgären Späße würdigen die Wunder der Wissenschaft herab und bergen die Gefahr, dass gerade diejenigen abgeschreckt werden, die sie am meisten schätzen und andere inspirieren könnten: die wahren Poeten und Geistesgelehrten.
Mit Poeten meine ich natürlich Künstler aller Sparten. Michelangelo und Bach wurden dafür bezahlt, dass sie die großen geistlichen Themen ihrer Zeit künstlerisch umsetzten. Und was sie schufen, wird die Menschen immer im Innersten berühren. Aber wir werden nie erfahren, wie eine derart geniale Begabung auf andere Ausgangsbedingungen reagiert hätte. Michelangelos Geist wanderte über das Schweigen «wie eine langbeinige Fliege über den Wasserlauf» – was hätte er erst gemalt, wenn er den Inhalt einer Nervenzelle der langbeinigen Fliege gekannt hätte? Welches «Dies Irae» hätte Verdi sich abgerungen, wenn er an das Schicksal der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren
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