Der entzauberte Regenbogen
Verdacht hat, dass seine Frau fremdgeht. «Ist es wahr?» – das hört sich nach einer berechtigten Frage an, und wenn man sie im Privatleben stellte, würde sich kaum jemand mit einer Antwort voller logikverdrehender Sophisterei zufrieden geben. Wer Gedankenexperimente mit Quanten anstellt, weiß vielleicht nicht, in welchem Sinn es «wahr» ist, dass Schrödingers Katze nicht mehr lebt. Aber ob die Behauptung wahr ist, dass die Katze Jane aus meiner Kindheit nicht mehr lebt, weiß jeder. Und auch in der Naturwissenschaft behaupten wir bei vielen Wahrheiten nur, dass sie in dem gleichen alltäglichen Sinn wahr sind. Wenn ich Ihnen sage, Menschen und Schimpansen hätten einen gemeinsamen Vorfahren, können Sie den Wahrheitsgehalt meiner Behauptung anzweifeln und (vergeblich) nach Belegen suchen, dass sie nicht stimmt. Aber wir wissen beide, was es bedeuten würde, wenn sie wahr wäre, und was es bedeuten würde, wenn sie falsch wäre. Es ist die gleiche Kategorie wie in der Frage «Stimmt es, dass Sie am Abend des Verbrechens in Oxford waren?» und nicht die schwierige Kategorie nach dem Muster «Stimmt es, dass ein Quant eine Position hat?». Ja, die Wahrheit bereitet philosophische Schwierigkeiten, aber bis wir uns deswegen den Kopf zerbrechen müssen, können wir schon ziemlich weit kommen. Voreilig angebliche philosophische Probleme aufzubauen ist manchmal eine Taktik, um Unsinn zu verschleiern.
Eine ganz andere Bedrohung für das wissenschaftlich Sinnvolle ist die an Verdummung grenzende Popularisierung. Das Bestreben, «Naturwissenschaft allgemein verständlich zu machen», das in Amerika durch den triumphalen Einzug der Sowjetunion ins Weltraumzeitalter ausgelöst wurde und seine Triebkraft heute zumindest in Großbritannien aus der öffentlichen Besorgnis um mangelndes Interesse für naturwissenschaftliche Studiengänge bezieht, wird immer volkstümlicher. «Wissenschaftswochen» und «Wissenschaftsshows» verraten die ängstliche Sorge der Naturwissenschaftler, ob sie auch gemocht werden. Komische Hüte und quäkende Stimmen sollen die Menschen glauben machen, Wissenschaft sei Spaß, Spaß und immer nur Spaß. «Tolle Kerle» veranstalten Explosionen und zeigen Furcht erregende Tricks. In einer Lagebesprechung, an der ich kürzlich teilnahm, wurden Wissenschaftler gedrängt, in Einkaufspassagen etwas vorzuführen, um den Leuten die Freuden der Wissenschaft schmackhaft zu machen. Wir sollten nichts tun, so der Rat des Vortragenden, was man als Abschreckung deuten könnte. Immer sollst du dafür sorgen, dass deine Wissenschaft «von Bedeutung» für das Leben der normalen Menschen ist, für das, was sich in ihren Küchen und Badezimmern abspielt. Wenn möglich, wähle das Material für deine Experimente so, dass das Publikum es am Ende aufessen kann. Das wissenschaftliche Phänomen, das bei dem letzten, vom Vortragenden selbst organisierten «Event» die Aufmerksamkeit am stärksten fesselte, war das Urinal, das sich von selbst spülte, wenn man es verließ. Schon das Wort «Wissenschaft», so sagte man uns, sollten wir am besten vermeiden, weil «einfache Leute» es als Bedrohung empfinden.
Ich zweifle kaum daran, dass eine solche Verdummung Erfolg hat, wenn wir damit das Ziel verfolgen, bei unserem «Event» eine möglichst große Besucherzahl zu erzielen. Wenn ich aber protestiere, weil es sich bei dem, das hier vermarktet wird, nicht um wahre Wissenschaft handelt, werde ich wegen meiner «elitären Einstellung» getadelt, und man sagt mir, man müsse die Leute mit allen nur denkbaren Mitteln anlocken, das sei in jedem Fall der notwendige erste Schritt. Nun ja, wenn man das Wort schon verwenden will (ich würde es nicht tun), dann ist es vielleicht gar nicht so entsetzlich, wenn man elitär ist. Außerdem besteht ein großer Unterschied zwischen unnahbarem Snobismus und einer engagierten, mitteilsamen elitären Haltung, die danach strebt, dass auch andere ihr Wissen vermehren und in die Elite aufsteigen. Am schlimmsten – herablassend und gönnerhaft – ist die berechnete Verdummung. Als ich diese Ansichten kürzlich in Amerika in einem Vortrag äußerte, besaß ein Fragesteller am Ende – zweifellos mit einem Schuss politischer Selbstbeweihräucherung in seinem männlichen, weißen Herzen – die Unverschämtheit zu vermuten, diese Art der Popularisierung sei notwendig, um «Minderheiten und Frauen» an die Naturwissenschaft heranzuführen.
Wenn man Naturwissenschaft ausschließlich als lustig und
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