Der entzauberte Regenbogen
wenn der äußere Schrittmacher fehlt. Ein anderer wichtiger Bestandteil der Wellenmischung in den Körperfunktionen vieler – insbesondere meeresbewohnender – Lebewesen ist der Mondrhythmus von 28 Tagen. Der Mond übt seinen Einfluss auf dem Weg über Spring- und Nipptiden aus. Auch der Umlauf der Erde um die Sonne in etwas mehr als 365 Tagen trägt mit seinem langsameren Rhythmus zu der Fourierschen Summe bei: Er zeigt sich in Paarungszeiten, Tierwanderungen, regelmäßiger Häutung und dem Fellwechsel.
Die vielleicht größte Wellenlänge, auf die man beim Entwirren biologischer Rhythmen stößt, ist ein mutmaßlicher Zyklus des Massenaussterbens, der 26 Millionen Jahre dauert. Nach den Berechnungen der Fossilienfachleute sind über 99 Prozent aller biologischen Arten, die jemals gelebt haben, heute ausgestorben. Glücklicherweise wird die Aussterberate langfristig ausgeglichen, weil durch Aufspaltung vorhandener Arten mit der gleichen Geschwindigkeit neue Formen entstehen. Aber das heißt nicht, dass ihre Zahl auf kürzere Sicht gleich bleibt. Ganz und gar nicht. Die Aussterberate schwankt ständig, und das Gleiche gilt auch für die Geschwindigkeit, mit der neue Arten auf der Bildfläche erscheinen. Es gibt schlechte Zeiten, in denen viele Arten verschwinden, und gute Zeiten, in denen sie gedeihen. Die vielleicht schlechteste aller schlechten Zeiten, der größte Weltuntergang, ereignete sich am Ende des Permzeitalters vor etwa einer Viertelmilliarde Jahren. In dieser schrecklichen Periode wurden rund 90 Prozent aller Arten ausgelöscht, darunter an Land auch viele säugetierähnliche Reptilien. Später erschien die Tierwelt der Erde wieder auf der leer gefegten Bühne, aber mit einer ganz anderen Besetzungsliste: An Land schlüpften Dinosaurier in die Kostüme, welche die säugetierähnlichen Reptilien zurückgelassen hatten. Das nächste große Massensterben – über das auch am meisten geredet wird – ist die berühmte Auslöschung am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren; damals verschwanden die Dinosaurier und mit ihnen auch viele andere Arten an Land und im Meer, und zwar, soweit man es an den Fossilien ablesen kann, von einem Augenblick zum nächsten. In der Kreidezeit starben wohl um die 50 Prozent aller Arten aus – nicht so viele wie im Perm, aber eine beängstigende weltweite Tragödie war es dennoch. Wieder erholte sich die dezimierte Tierwelt unseres Planeten, und nun sind wir da: die Säugetiere, Nachkommen einiger glücklicher Überlebender aus der zuvor so reichhaltigen Welt säugetierähnlicher Reptilien. Zusammen mit den Vögeln füllen wir heute die Lücken, die sich nach dem Tod der Dinosaurier auftaten. Voraussichtlich bis zum nächsten Massensterben.
In der Erdgeschichte gab es viele Episoden des Massenaussterbens – die meisten davon nicht so schlimm wie die Katastrophen im Perm oder der Kreidezeit, aber in den Belegen im Gestein durchaus zu erkennen. Paläontologen mit einem Hang zur Statistik sammelten Befunde über die Zahl der fossilen Arten aus den einzelnen Erdzeitaltern, gaben sie Computern ein und zerlegten sie mit der Fourier-Analyse in so viele Rhythmen, wie sie nur finden konnten, als lauschten sie dem Beben unwirklich tiefer Orgeltöne. Der beherrschende Rhythmus ist den (allerdings umstrittenen) Behauptungen zufolge ein Zyklus von etwa 26 Millionen Jahren. Was könnte die Ursache von Schwankungen des Aussterbens sein, die eine derart gewaltig große Wellenlänge haben? Vermutlich kann es sich nur um einen astronomischen Zyklus handeln.
Vielen Indizien zufolge wurde die Katastrophe in der Kreidezeit von einem Asteroiden oder Kometen ausgelöst, der so groß war wie ein Berg und mit einer Geschwindigkeit von mehreren zigtausend Kilometern auf der Erde einschlug, vermutlich in der Gegend der heutigen Halbinsel Yucatán am Golf von Mexiko. Die Asteroiden umkreisen die Sonne in einem Gürtel, der sich innerhalb der Jupiter-Umlaufbahn befindet. Es gibt eine Riesenzahl von ihnen – kleinere Asteroiden stürzen ständig auf die Erde –, und manche davon sind so groß, dass sie ein katastrophales Artensterben verursachen können, wenn sie uns unmittelbar treffen. Die Umlaufbahnen der Kometen um die Sonne sind größer und stärker exzentrisch; sie erstrecken sich zum größten Teil bis weit außerhalb des Bereiches, den wir normalerweise als Sonnensystem betrachten, aber gelegentlich kommen sie auch in unsere Nähe, wie beispielsweise der Halleysche Komet,
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