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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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lässt er mehr oder weniger ständig seinen Urin laufen, offensichtlich, um damit Duftmarken zu setzen. Die wellenförmig von rechts nach links verlaufende Urinspur auf der Straße war vermutlich durch den langen Penis entstanden, der wie ein Pendel hin- und herschwang (wäre der Penis ein vollkommenes, Newtonsches Pendel gewesen – was er nicht ist –, hätte er eine Sinuskurve hinterlassen) und mit den komplizierteren Rhythmen des schwerfälligen, vierbeinigen Gangs in Wechselbeziehung trat. Ich machte Fotos in der unbestimmten Absicht, später eine Fourier-Analyse vorzunehmen. Zu meinem Bedauern konnte ich mich nie aufraffen, es wirklich zu tun. Aber theoretisch ist es möglich. Man könnte die Urinspur nach dem Foto nachzeichnen und auf Millimeterpapier legen, die Koordinaten in digitale Form bringen und sie dann in einen Rechner eingeben. Der Computer würde Fouriers Berechnungen in moderner Form durchführen und die einzelnen Sinuskurven herausfiltern. Es gibt einfachere (allerdings nicht unbedingt ungefährlichere) Methoden, um die Länge eines Elefantenpenis zu messen, aber die Sache hätte Spaß gemacht, und Baron Fourier selbst wäre über eine derart überraschende Anwendung seiner mathematischen Methode sicher begeistert gewesen. Es gibt keinen Grund, warum eine Urinspur nicht ebenso wie Fußspuren oder die Abdrücke von Würmern versteinern sollte, und dann könnte man mit der Fourier-Analyse im Prinzip auch die Penislänge eines ausgestorbenen Mastodons oder Wollmammuts anhand der indirekten Beobachtung der Urinspur ermitteln, die es während seiner Brunst hinterlassen hat.
    Der Penis eines Elefanten schwingt mit einer viel niedrigeren Frequenz hin und her als die Luft beim Schall (allerdings liegen beide ungefähr in der gleichen Größenordnung, wenn man sie mit den sehr hohen Frequenzen der Lichtwellen vergleicht). Die Natur hat noch andere rhythmische Wellen mit viel geringerer Frequenz zu bieten, deren Wellenlängen sich nach Jahren oder sogar Jahrmillionen bemessen. Einige derartige Vorgänge, beispielsweise die zyklischen Veränderungen von Tierpopulationen, hat man mit einem der Fourier-Analyse entsprechenden Verfahren untersucht. Die Hudson Bay Company hielt seit 1736 genau die Zahl der Pelze fest, die kanadische Pelztierjäger anlieferten. Der angesehene Oxforder Ökologe Charles Elton (1900   –   1991), der als Berater bei der Gesellschaft angestellt war, erkannte als erster die Bedeutung dieser Aufzeichnungen: Man konnte an ihnen die Populationsschwankungen der Schneehasen, Luchse und anderer Säugetiere ablesen, die wegen ihrer Pelze gejagt wurden. Die Zahlen steigen und fallen in kompliziert vermischten Rhythmen, die seitdem eingehend analysiert wurden. Unter den Wellenlängen, die bei diesen Untersuchungen ans Licht kamen, fällt besonders eine rhythmische Schwankung von etwa vier Jahren auf, und eine zweite wiederholt sich ungefähr alle elf Jahre. Einer Hypothese zufolge ist der Vier-Jahres-Rhythmus mit der zeitlich versetzten Wechselbeziehung zwischen Räubern und Beute zu erklären (ein Überangebot an Beutetieren ernährt eine Fülle von Räubern, die dann die Beute fast ausrotten; das wiederum führt zu einer Hungersnot bei den Räubern, und wenn deren Population nun schrumpft, kann die der Beute wieder wachsen und so weiter). Der längere Rhythmus von elf Jahren hat nach der vielleicht faszinierendsten Vermutung mit der Sonnenfleckenaktivität zu tun, die bekanntlich ebenfalls in einem Zyklus von etwa elf Jahren schwankt. Wie sich die Sonnenflecken auf Tierpopulationen auswirken, ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Vielleicht beeinflussen sie das Klima, das seinerseits über die Menge der pflanzlichen Nahrung mitbestimmt.
    Wenn man irgendwo regelmäßige Zyklen mit sehr großer Wellenlänge findet, haben sie wahrscheinlich astronomische Ursachen. Sie sind eine Folge der Tatsache, dass Himmelskörper häufig um ihre eigene Achse rotieren oder sich regelmäßig auf einer Bahn um andere Himmelskörper herum bewegen. Die Lebewesen auf der Erde unterliegen fast in allen kleinen Einzelheiten einem 24-Stunden-Aktivitätsrhythmus. Der Grund dafür ist letztlich die Drehung der Erde um ihre Achse, aber Tiere vieler Arten einschließlich des Menschen behalten auch dann einen Rhythmus von ungefähr 24 Stunden bei, wenn sie von dem unmittelbaren Kontakt mit Tag und Nacht abgeschnitten sind. Sie haben also den Rhythmus so verinnerlicht, dass er selbst dann automatisch weiterläuft,

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