Der entzauberte Regenbogen
wahre Begebenheit schildern: einen telepathischen Akt aus der neuen Serie Beyond Belief von Carlton Television. Produziert und moderiert wird die Sendung von David Frost, einem Altmeister des britischen Fernsehens, den die Regierung sogar des Adelsstandes für würdig hielt und dessen Wort deshalb bei den Zuschauern Gewicht hat. Vorgeführt wurde das Ganze von einem Vater-Sohn-Gespann aus Israel. Dem Sohn wurden die Augen verbunden, und dann sollte er «durch die Augen seines Vaters sehen». Ein Glücksrad wurde gedreht, und eine Zahl erschien. Der Vater starrte sie an, ballte vor Anspannung die Fäuste, öffnete sie wieder und fragte seinen Sohn dann mit erstickter Stimme, ob er es tun könne. «Ja, ich glaube schon», krächzte der Sohn. Und natürlich nannte er die richtige Zahl. Begeisterter Applaus. Wie erstaunlich! Und vergessen Sie nicht, liebe Zuschauer, das hier ist eine Livesendung, ein Tatsachenbericht , nichts Erfundenes wie Akte X .
Was wir hier erlebt haben, ist nichts anderes als ein altbekannter, ziemlich mittelmäßiger Zaubertrick, der in den Varietés beliebt war und sich mindestens bis 1784 zu Signor Pinetti zurückverfolgen lässt. Es gibt viele einfache Methoden, wie der Vater seinem gut trainierten Sohn eine Zahl mitteilen konnte. Eine Möglichkeit ist die Zahl der Wörter in dem scheinbar harmlosen Ausruf: «Schaffst du es, mein Sohn?» Statt vor Verblüffung zu erstarren, hätte David Frost das einfache Experiment machen können, nicht nur dem Sohn die Augen, sondern auch dem Vater den Mund zu verbinden. Der einzige Unterschied zu einer normalen Zaubershow bestand darin, dass diese hier von einem angesehenen Fernsehsender als «übersinnlich» bezeichnet wurde.
Die meisten Menschen wissen nicht, welche Tricks die Zauberkünstler anwenden. Ich selbst bin darüber oft höchst verblüfft. Ich verstehe nicht, wie sie Kaninchen aus dem Hut ziehen können oder eine Kiste durchsägen, ohne die darin liegende Dame zu verletzen. Aber jeder weiß, dass es dafür eine einleuchtende Erklärung gibt; wenn der Zauberkünstler wollte, könnte er sie verraten, und dass er es nicht tut, ist nur allzu verständlich. Warum also sollen wir es dann für ein echtes Wunder halten, nur weil ein Fernsehsender genau dem gleichen Trick das Etikett «paranormal» aufgedrückt hat?
Dann gibt es diejenigen Künstler, die scheinbar «spüren», dass jemand im Publikum einen Angehörigen hatte, dessen Name mit dem Buchstaben M begann, der einen Pekinesen besaß und an etwas gestorben ist, das mit der Brust zu tun hatte: «Hellseher» und «Medien» scheinen Kenntnisse zu haben, die sie «mit normalen Mitteln nicht erlangen konnten». Es würde zu weit führen, hier in die Einzelheiten zu gehen, aber der Trick ist unter Zauberkünstlern als «kaltes Lesen» bekannt. Es ist eine raffinierte Kombination aus dem Wissen über häufig vorkommende Dinge (viele Menschen sterben an Herzversagen oder Lungenkrebs) und der Suche nach Anhaltspunkten (viele Menschen verraten sich unwillkürlich, wenn man der Sache näher kommt), unterstützt durch die Bereitschaft des Publikums, Treffer zu behalten und Fehler zu vergessen. Häufig beschäftigen Kaltleser auch Spitzel, die Unterhaltungen von Besuchern im Foyer belauschen oder den Menschen sogar Fragen stellen und dann dem Künstler vor der Show in seiner Garderobe darüber berichten.
Könnte ein Psi-Künstler tatsächlich den unwiderlegbaren Nachweis für Telepathie (Hellsehen, Psychokinese, Wiedergeburt, die Existenz des Perpetuum mobile oder was auch immer) erbringen, wäre er der Entdecker eines völlig neuen, bisher unbekannten physikalischen Prinzips. Wer ein neues Energiefeld entdeckt, das einen Geist telepathisch mit einem anderen verbindet, oder die neue grundlegende Kraft, die Gegenstände ohne faule Tricks auf einer Tischplatte bewegt, verdient mit Sicherheit den Nobelpreis und würde ihn vermutlich auch bekommen. Warum sollte jemand, der im Besitz eines derart revolutionären wissenschaftlichen Geheimnisses ist, seine Zeit mit reißerischer Fernsehunterhaltung vergeuden? Warum beweist er es nicht anständig, um dann als neuer Newton gefeiert zu werden? Natürlich kennen wir die wahre Antwort. Es ist nicht möglich. Er ist ein Scharlatan, aber dank zynischer oder leichtgläubiger Fernsehproduzenten ein gut betuchter.
Nachdem ich das klargestellt habe, muss ich einräumen, dass manche geschickten Psi-Künstler auch die meisten Naturwissenschaftler täuschen können, und
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