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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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erklärt, sie sei «verhext: Jemand habe sie mit Pech geschlagen». Um sie davon zu befreien, müsse er sie von oben bis unten mit besonderen Ölen einreiben. Sie willigte ein, sich zu diesem Zweck vollständig zu entkleiden. Schließlich hatte sie Geschlechtsverkehr mit dem Mann, nachdem dieser ihr erklärt hatte, es sei notwendig, «um die Geister loszuwerden». Mir scheint, die Gesellschaft kann nicht beides haben. Wenn es richtig war, diesen Mann ins Gefängnis zu stecken, weil er eine leichtgläubige junge Frau ausgenutzt hatte (minderjährig war sie nicht mehr), warum verfolgen wir dann nicht auf ähnliche Weise auch Astrologen, die Geld von ebenso leichtgläubigen Menschen verlangen, oder «Medien», die den Mineralölunternehmen in betrügerischer Absicht das Geld der Aktionäre abnehmen, um sie zu «beraten», wo sie bohren sollen? Und wenn man nun umgekehrt einwendet, es solle Dummköpfen freistehen, ihr Geld für Scharlatane zum Fenster hinauszuwerfen, warum kann sich dann nicht auch der Sex-«Exorzist» auf ähnliche Weise verteidigen und darauf verweisen, es habe der jungen Frau freigestanden, ihren Körper für eine rituelle Zeremonie zur Verfügung zu stellen, an die sie zu diesem Zeitpunkt wirklich glaubte?
    Man kennt keinen physikalischen Mechanismus, durch den die Position weit entfernter Himmelskörper im Augenblick der Geburt einen kausalen Einfluss auf Wesen oder Schicksal eines Menschen ausüben könnte. Das schließt nicht aus, dass es unbekannte physikalische Einflüsse gibt. Aber wir brauchen uns nur dann die Mühe zu machen und über solche physikalischen Einflüsse nachzudenken, wenn jemand einen Beleg dafür liefert, dass die Bewegungen der Planeten vor dem Hintergrund der Sternbilder tatsächlich auch nur den geringsten Einfluss auf die Angelegenheiten der Menschen haben. Aber solche Belege haben noch nie einer eingehenden Nachprüfung standgehalten. Wissenschaftliche Untersuchungen der Astrologie erbrachten in ihrer großen Mehrzahl keinerlei positive Ergebnisse. In sehr wenigen Fällen gab es Hinweise auf schwache statistische Zusammenhänge zwischen «Sternzeichen» und Charakter. Für diese wenigen positiven Befunde gab es eine interessante Erklärung. Viele Menschen kennen sich in den Märchen über Sternzeichen so gut aus, dass sie wissen, welche Eigenschaften von ihnen erwartet werden. Sie neigen dann dazu, diesen Erwartungen zu entsprechen – die Tendenz ist nicht stark, aber sie reicht aus, um die beobachteten statistischen Effekte hervorzurufen.
    Die Mindestanforderung, die man an jede ehrliche Analyse- oder Interpretationsmethode stellen sollte, ist die der Zuverlässigkeit . Dabei wird nicht geprüft, ob sie tatsächlich funktioniert, sondern es geht nur darum, ob verschiedene Personen, die sie auf die gleichen Hinweise anwenden (oder auch eine Person, der zweimal die gleichen Hinweise präsentiert werden), zu den gleichen Ergebnissen gelangen. Ich glaube zwar nicht, dass die Astrologie funktioniert, aber zumindest hatte ich damit gerechnet, dass sie in diesem Sinn der inneren Widerspruchsfreiheit zuverlässig ist. Immerhin bedienen sich verschiedene Astrologen der gleichen Bücher. Selbst wenn ihre Urteile falsch sind, sollte man ihre Methoden doch für so systematisch halten, dass sie wenigstens zu den gleichen falschen Urteilen gelangen. Aber wie sich in einer Untersuchung von G. Dean und Kollegen gezeigt hat, erreichen sie nicht einmal diesen einfachen Mindeststandard. Zum Vergleich: Wenn verschiedene Sachverständige mehrere Menschen anhand ihrer Leistungen in standardisierten Befragungen beurteilen sollen, ist der Korrelationskoeffizient größer als 0,8 (ein Korrelationskoeffizient von 1,0 bedeutet vollständige Übereinstimmung, und −1.0 entspricht völliger Nichtübereinstimmung; 0,0 heißt Zufälligkeit oder fehlender Zusammenhang; 0,8 ist also ein recht guter Wert). Der Zuverlässigkeitskoeffizient für die Astrologie lag dagegen in derselben Studie bei erbärmlichen 0,1, vergleichbar mit dem Wert für Handlesen (0,11), und war gleichbedeutend mit fast völliger Zufälligkeit. Auch wenn die Astrologen Unrecht haben, sollte man doch annehmen, dass sie wenigstens einigermaßen systematisch vorgehen und zu einheitlichen Ergebnissen gelangen. Anscheinend ist das nicht der Fall. Auch Graphologie (Handschriftenanalyse) und Rorschachtests (Analyse von Farbklecksen) sind nicht viel besser.
    Die Tätigkeit eines Astrologen erfordert so wenig Ausbildung oder

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