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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich trotzdem fast panische Angst hatte.
    »Dieser Mann, H. P. Der Mann, den ich gesehen habe, als mein Großvater starb war das mein Vater?«
    H. P. schwieg endlose Sekunden. Dann nickte er.
    »So, wie du ihn beschrieben hast ja.«

    »Wie ist er gestorben?«
    H. P. antwortete nicht darauf, sondern sprach wie geistesab-wesend vor sich hin: »Er lehrte mich vieles. Und ich ihm. Wir hatten uns gegenseitig das Leben zu verdanken.« Er brach ab.
    Für zwei, drei Sekunden verdüsterten sich seine Züge. Seine Hände spannten sich um die Armlehnen seines Sessels, als wollte er sie zerbrechen. In seinem Gesicht zuckte ein Muskel.
    »Es tut mir leid«, murmelte ich. »Aber ich muß es wissen.«
    H. P. holte hörbar Luft. »Natürlich«, sagte er. »Du hast ein Recht, alles zu erfahren. Du bist schließlich der Sohn deines Vaters. Und sein Erbe.«
    Etwas an der Art, in der er die letzten drei Worte aussprach, gefiel mir nicht. »Wie meinst du das?« fragte ich.
    »Später«, antwortete er ausweichend. »Du wirst alles erfahren, aber vorher gibt es ein paar Dinge zu tun.«
    Verwirrt griff ich nach meinem Glas, nippte von dem Portwein und stellte es behutsam auf den Tisch zurück. Meine Hände zitterten.
    H. P. sah mich scharf an. »Fühlst du dich nicht wohl?« fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich rasch.
    »Das heißt, doch. Ich … bin schon okay. Es war nur alles ein bißchen zuviel. Ich begreife nur die Hälfte von dem, was hier vor sich geht.«
    »Ich fürchte, noch sehr viel weniger«, murmelte H. P. »Wenn das, was du mir erzählt hast, alles wirklich so geschehen ist, dann bist du in Gefahr, Junge.«
    Beinahe hätte ich gelacht. »Das ist mir nicht entgangen, H.
    P.«, sagte ich. »Ich verstehe nur nicht, warum.«
    »Weil du Robert Cravens Sohn bist«, antwortete er in einem Ton, als wäre diese Erklärung die natürlichste der Welt. »Und weil sich der Fluch der Hexen bis in die letzte Generation der Familie fortsetzt.«

    Trotz des prasselnden Feuers im Kamin schien es plötzlich mehrere Grade kälter im Raum zu werden.
    Ich schauderte.
    Wieder schwieg er einen Moment, und der Blick, mit dem er mich maß, war von einer seltsamen Mischung aus menschlicher Wärme und Freundschaft und Sorge. »Zuerst einmal«, fuhr er dann mit veränderter Stimme fort, »müssen wir dich in Sicherheit bringen. Ich weiß noch nicht wie, und ich weiß auch noch nicht, was das alles zu bedeuten hat, aber ich habe einen
    … Verdacht. Ich muß ihn überprüfen. Aber das wird ein paar Tage dauern.«
    »Dieses Ding, das … das meinen Großvater getötet hat«, sagte ich leise. »Was war das?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand H. P. »Sie haben viele Diener.
    Manche davon sind schrecklicher, als du dir vorstellen kannst.«
    »Ich kann mir eine ganze Menge vorstellen«, sagte ich zö-
    gernd.
    H. P. nickte. Er wirkte sehr ernst. »Eben«, sagte er.
    »Aber das Sicherste wäre vielleicht, wenn du für ein paar Tage hierher kommen würdest. Du kannst bei mir wohnen
    wir haben ohnehin viel zu reden. Sage einfach, daß du ein paar Tage wegfährst, um dich von allem zu erholen.«
    »Hier?«
    Der Blick, mit dem ich mich umsah, schien ihn zu amüsieren.
    »Laß dich nicht vom äußeren Anschein täuschen, Robert«, sagte er.
    »Und die anderen Gäste?«
    »Es gibt keine anderen Gäste hier«, sagte H. P.
    »Schon lange nicht mehr. Rowlf und ich sind die einzigen, die hier leben. Die Pension war schon seit Jahren geschlossen, als ich dieses Haus kaufte. Und Rowlf ist ein wahrer Meister darin, potentielle Gäste abzuwimmeln. Du bist sicher hier.«
    Ich antwortete nicht mehr, sondern stand auf. »Ich glaube, es wird Zeit«, sagte ich. »Ich werde mich ein Paar Stunden hinlegen und … über alles nachdenken.«
    »Gut.« Er erhob sich ebenfalls. »Wir treffen uns in der Stadt«, sagte er. »Sagen wir am Piccadilly?«
    Ich nickte, leerte gegen besseres Wissen mein Port- und nahm meinen Mantel von der Sessellehne. Mir war kalt.
    Müdigkeit begann sich wie eine bleierne Decke über meine Glieder zu legen.
    »Ich schicke Rowlf«, sagte H. P. »Er kann dir ein Taxi besorgen. Es gibt einen Stand, eine knappe Meile von hier.«
    Ich hielt ihn mit einem müden Kopfschütteln zurück, warf den Mantel über meine Schultern und ging zur Tür. »Das ist nicht notwendig«, sagte ich. »Ich kann das Stück zu Fuß gehen.
    Der arme Rowlf muß genauso müde sein wie wir. Und mir tut die frische Luft bestimmt gut.«
    H. P. runzelte die Stirn, aber ich

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