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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versuchte etwas anderes, Finsteres durch seine Züge zu brechen.
    »Nicht dein Großvater?« wiederholte er lauernd.
    Mühsam schüttelte ich den Kopf. »Ich … weiß nicht, wer du bist«, keuchte ich. Ich hatte kaum noch die Kraft zu stehen.
    »Aber du bist … nicht mein Großvater.« Der Schmerz erlosch so abrupt, als wäre er abgeschaltet worden. Ich seufzte hörbar, schwankte einen Moment vor Erleichterung und fuhr mir mit dem Handrücken über die Augen.
    Macs Gestalt löste sich auf, wurde für den Bruchteil eines Lidzuckens vollends durchsichtig, so daß ich die wogenden Nebelschleier hinter ihr erkennen konnte, dann verdichteten sich die Schatten, aus denen sein Körper bestand, erneut. Aber nicht mehr zur Gestalt eines Menschen.
    Ein ungläubiger Schrei entrang sich meiner Kehle, als ich sah, was sich aus wirbelndem Nichts und Nebel vor mir zusammenballte.
    Das Ding hatte einen Kopf, einen Rumpf, zwei Beine und zwei Arme aber damit hörte die Ähnlichkeit mit einem Menschen auch schon auf. Es war groß wie ein Bär und womöglich noch massiger, und sein Körper bestand zur Gänze aus einer grünlichen, schleimigen Masse, einer wabbelnden Gallerte, die in beständiger Bewegung war und immer wieder auseinanderzufließen und sich neu zu formen schien. Seine Hände waren glitschige Klumpen ohne sichtbare Finger oder Daumen.
    Entsetzt taumelte ich zurück. Das Ungeheuer stieß einen widerlichen blubbernden Laut aus, hob in einer nur scheinbar schwerfälligen Bewegung einen vom Boden und torkelte auf mich zu. Seine gewaltigen Arme griffen gierig in meine Richtung.
    Mit einer verzweifelten Bewegung sprang ich zur Seite, riß den Revolver unter dem Mantel hervor und duckte mich.
    Irgend etwas sagte mir, daß es sinnlos wäre zu fliehen; allein der Gedanke, diesem Ding den Rücken zuzudrehen, war mir unerträglich.
    Das Monstrum griff an. Sein ganzer Körper schien in eine einzige, wabbelnde Bewegung zu geraten; es floß mehr auf mich zu, als es lief. Ich schwang meine Waffe und zielte nach der Stelle, an der bei einem Menschen das Gesicht gewesen wäre.
    Der Schuß peitschte unheimlich laut durch die stille Straße.
    Gleichzeitig stürmte das Monster weiter vor und griff mit seinen schrecklichen Armen nach mir.
    Die Kugel zeigte nicht die geringste Wirkung!
    Und dann war es heran. Ich schrie vor Schmerz, als mich seine Hände berührten. Das schleimige Äußere des Ungeheuers suggerierte Kraftlosigkeit, aber seine Hände waren wie Stahlklauen. Meine Rippen knackten, als sich seine Arme in einer tödlichen Umklammerung um meinen Oberkörper legten.
    Pfeifend entwich die Luft aus meinen Lungen.
    Blind vor Schmerz und Angst riß ich die Pistole hoch, packte sie wie eine Keule mit beiden Händen und schleuderte sie mit aller Kraft auf den Schädel des Monsters.
    Ein schmerzhaftes Zucken lief durch den Körper des Hor-rorwesens. Sein Griff lockerte sich; nur um eine Winzigkeit und nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber dieser kurze Augenblick genügte mir. Die Angst gab mir die Kräfte eines Riesen. Mit einer verzweifelten Anstrengung sprengte ich seine Umklammerung, taumelte rücklings davon und fiel schwer auf den Rücken. Mein Gegner stieß einen grauenhaften, matschig klingenden Laut aus, torkelte und kämpfte mühsam um sein Gleichgewicht.
    Er wankte. Ein tiefes, gequältes Stöhnen entrang sich seiner Brust. Die Hände fuhren haltlos durch die Luft. Langsam, als wehre er sich noch immer mit der ganzen Kraft seines titani-schen Körpers, sackte er in die Knie, stützte sich einen Moment mit den Armen ab und sank schließlich ganz um.
    Dann begann er auseinanderzufließen. Die grüne Masse, aus der sein Körper bestand, schien von einer Sekunde auf die andere ihren Halt zu verlieren. Dünne, glitzernde Schleimfäden tropften zu Boden, gefolgt von faustgroßen Klumpen und Brocken.
    Es ging unheimlich schnell. Der Leib des Ungeheuers zer-schmolz zu einer glibbrigen amorphen Masse ohne sichtbare Glieder, floß weiter auseinander und zerlief zu einer brodelnden Pfütze grünlichweiß schimmernder, zäher Flüssigkeit.
    Langsam richtete ich mich auf. Meine Hände und Knie zitterten, und der furchtbare Anblick ließ meinen Magen rebellieren; aber ich zwang mich, weiter zuzusehen und trat nach einigen Sekunden sogar einen Schritt näher.
    Von dem Monster war nichts mehr zu entdecken.
    Auf dem Kopfsteinpflaster vor mir breitete sich eine glitzernde Pfütze mit einem Durchmesser von fast fünf Metern aus. Schillernde

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