Der Erbe der Nacht
Stimme klang nicht ganz so fest, wie ich es gerne gehabt hätte. Meine Hände zitterten.
»Rooooooooooo …beeeeeert …«
Nur dieses eine Wort, mein Name, nicht mehr. Und trotzdem ließ mich der Klang dieser unheimlichen Stimme bis ins Mark erschauern. Ich sah mich noch einmal nach allen Seiten um, atmete hörbar ein und ging weiter. Nur mit Mühe unterdrückte ich den Impuls, einfach loszurennen, so schnell ich konnte.
»Robert«, wisperte die Stimme. »Komm zu mir.«
Ich ging schneller und versuchte gleichzeitig, die Stimme zu ignorieren. Es ging nicht.
Obwohl sie so leise war, daß die Worte mehr zu erraten als wirklich zu verstehen waren, ging von ihr ein suggestiver Zwang aus, der es mir unmöglich machte, sie zu überhören. Ich konnte immer noch nicht sagen, aus welcher Richtung sie kam.
Sie schien direkt aus dem Nebel zu dringen, aus allen Richtungen zugleich.
Als wäre es der Nebel selbst, der zu mir sprach …
Vor mir schimmerte ein Licht durch die graue Dämmerung.
Ich blieb stehen. Das Licht flackerte und war Sehr schwach, aber es war nicht das Licht einer Straßenlaterne; auch nicht die Scheinwerfer eines Wagens, der sich vielleicht in diese Gegend verirrt hatte.
»Robert. Komm zu mir.«
Diesmal klang die Stimme befehlend, hart. Ich Machte einen Schritt, blieb abermals stehen und versuchte angestrengt, mehr zu erkennen.
Licht waberte und wogte auf sonderbare Art, fast, als würde es leben. Der Schein war vom Nebel gedämpft, trotzdem erkannte ich deutlich seine giftgrüne, unheimliche Färbung, und für einen kurzen Moment schien mich etwas Unsichtbares, Eisiges zu streifen.
Dann trat die Gestalt aus dem Licht.
Die Gestalt meines Großvaters.
Trotz des immer dichter werdenden Nebels erkannte ich ihn sofort: das schmale, gutmütige Gesicht mit den immer noch wachen Augen, der spöttisch verzogene Mund, das dünn gewordene, graue Haar …
»Mac …«
Er trat ein Stück auf mich zu, blieb jedoch in drei, vier Schritten Abstand stehen und sah mich mit undeutbarem Ausdruck an. Sein Körper wirkte beunruhigend unmateriell, fast durchscheinend.
»Robert«, sagte er. »Ich habe dich gerufen. Warum bist du nicht stehengeblieben?«
Ich wollte antworten, aber ich konnte es nicht. Irgendwo, tief, tief in mir, begann eine warnende Stimme zu flüstern. Diese halb durchsichtige Gestalt vor mir erfüllte mich mit Furcht.
Meine Kehle fühlte sich trocken an. Sie schmerzte.
»Was … was willst du?« fragte ich mühsam.
»Was ich will?« Mein Großvater lächelte verzeihend. »Dir helfen, Robert. Warum hast du nicht auf mich gewartet?«
»Ge …wartet?« Warum fiel es mir nur so schwer zu sprechen? Einen klaren Gedanken zu fassen?
»Aber jetzt habe ich dich ja wiedergefunden.« Plötzlich änderte sich etwas in seinem Blick. »Du bist in Gefahr, Robert«, sagte er. »In größerer Gefahr, als du ahnst.«
»Ich … weiß«, sagte ich schleppend. Hinter meinen Schläfen begann sich ein dumpfer Druck bemerkbar zu machen.
»Oh nein«, sagte Großvater spöttisch. »Du weißt es nicht, Robert. Du glaubst es zu wissen, aber dabei übersiehst du die wirkliche Gefahr. Geh nicht zurück zu H. P.«
»Nicht zurück zu H. P.?« echote ich dümmlich.
»Wie meinst du das?«
Ein rascher Schatten von Ungeduld, beinahe Zorn, huschte über die Züge meines Großvaters, etwas, das ich noch nie an ihm bemerkt hatte. »Wie ich es sage, Robert«, sagte er. »H. P.
ist nicht der, für den du ihn hältst.«
Der Druck in meinem Kopf wurde schlimmer. Quälender. Es war, als läge ein unsichtbarer Stahlreifen um meinen Schädel, der langsam zusammengezogen wurde. Ich konnte kaum noch denken. Mein Großvater seufzte. »Aber noch ist es nicht zu spät. Er weiß nichts davon, daß ich noch existiere.« Er lachte; leise, böse und so kalt, daß ich schauderte. »Komm mit mir, Robert«, sagte er. »Wir gehen an einen Ort, an dem er dir nicht mehr schaden kann.«
Er streckte die Hand aus, trat einen weiteren Schritt auf mich zu und lächelte aufmunternd. Mein Arm zuckte. Instinktiv wollte ich nach seiner Hand greifen aber irgend etwas hielt mich zurück.
»Komm, Robert«, sagte er noch einmal.
Der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen. Ich stöhnte, wankte einen Moment und machte einen halben Schritt zurück.
Der Schmerz in meinem Schädel steigerte sich zu einem mörderischen Hämmern.
»Du … bist … nicht … mein Großvater«, würgte ich hervor.
Sein Blick wurde eisig. Sein Gesicht flackerte, als
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