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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufmerksam folgte. Ich lächelte verlegen, ging ein wenig zu hastig in den Salon und schob dabei die Couch an ihren Platz zurück. H. P.
    sah mir stirnrunzelnd zu.
    »Hast du umgeräumt?« fragte er.
    Ich antwortete gar nicht, sondern deutete auf die Bar. »Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten, Lady Audley?« fragte ich.
    Sie nickte begeistert. »Wenn Sie vielleicht einen Schluck Sherry für mich hätten?«
    Ich reichte Lady Audley ein Glas Sherry und bemerkte, daß H. P. mich schon wieder reichlich mißbilligend ansah.
    »Was hast du?« fragte ich.
    H. P. deutete anklagend auf die Stereoanlage. »Was ist das?«
    Ich begriff. »Ist dir die Musik zu laut?« fragte ich, während ich bereits zum Regal ging, um die Lautstärke ein wenig zu dämpfen.
    »Musik?« wiederholte H. P. »So etwas nennt man heutzutage Musik?«
    Ich zog es vor, nicht darauf zu antworten es war KEEL, eine amerikanische Hard-Rock-Gruppe, die meiner Meinung nach sogar noch ziemlich zahm war.
    Immerhin brachte es der Leadsänger ab und zu sogar fertig, den Ton zu halten. Aber ich ließ mich auf keine Debatte ein, sondern schaltete den Verstärker kurzerhand ab.
    H. P. nickte dankbar.
    »Ich habe … schon alles vorbereitet«, sagte ich und deutete auf den kleinen Spieltisch, den ich in die Mitte des Salons gerückt hatte, und auf dem große, vielarmige Kerzenleuchter standen.
    »Wie entzückend.« Lady Audley nippte an ihrem Glas und lächelte mir kokett zu. »Das wäre zwar nicht nötig gewesen, aber man sieht, daß Sie mit dem nötigen Ernst an die Sache herangehen, mein Junge.« Lady Audley blinzelte, nickte mir noch einmal zu und gesellte sich dann zu Gray und Rowlf, die bereits an dem Tischchen Platz genommen hatten.
    »Entzückend«, sagte ich kopfschüttelnd; allerdings auch so leise, daß Lady Audley es nicht hören konnte. »Wer ist sie?«
    »Lady Audley?« H. P. zuckte die Achseln, als wüßte er die Antwort nicht. »Ein … Original würdest du wohl sagen. Der letzte Sproß irgendeines aussterbenden Adelsgeschlechtes, glaube ich. Ein bißchen verrückt, aber sehr nett. Und eines der wenigen echten Medien, die ich kenne.«
    Seufzend folgte ich Lady Audley. H. P. und ich nahmen nebeneinander auf den beiden letzten freigebliebenen Stühlen Platz. Lady Audley stand nochmals auf, trug die beiden Kandelaber, die ich so liebevoll hergerichtet hatte, zur Seite und schaltete die elektrische Deckenbeleuchtung aus. Schließ-
    lich zündete sie nur eine einzige, flackernde Kerze an, die den Tisch in eine Insel gelblicher Helligkeit tauchte und alles, was hinter unserem Rücken lag, zu schemenhaften Schatten verblassen ließ. Wir warteten, bis Lady Audley wieder Platz genommen hatte und mit einem leisen Nicken das Zeichen zum Anfangen gab. Schweigend ergriffen wir uns bei den Händen und bildeten so einen großen, allseits geschlossenen Kreis. Ich begann mir immer alberner vorzukommen, aber sowohl auf H.
    P.s als auch auf Grays Gesicht lag mit einemmal ein sehr ernster Ausdruck.
    Nach einer Weile begann Lady Audley, die augenscheinlich mit größter Begeisterung bei der Sache war, leicht mit dem Oberkörper hin und her zu schwingen und leise, summende Töne auszustoßen, und kurz darauf fielen auch H. P. und Gray darin ein. Das Ganze kam mir immer mehr wie ein närrischer Firlefanz vor.
    Trotzdem ich merkte, wie eine kribbelnde Stimmung lust-vollen Grauens auch von mir Besitz ergriff und dann war es mit einemmal viel mehr als das.
    Bisher war diese Séance nichts als ein harmloser Spaß gewesen, aber plötzlich spürte ich die Anwesenheit von etwas Fremdem unter uns.
    Ich hatte Mühe, nicht zusammenzuschrecken und den Kreis zu unterbrechen. Rasch wandte ich den Blick und sah H. P. an.
    Auch der Ausdruck auf seinen Zügen hatte sich verändert.
    Die mühsame Konzentration in seinen Augen war verschwunden und hatte einem Ausdruck ungläubigen Staunens gepaart mit einer ganze leisen Spur von Furcht Platz gemacht.
    Ich sah wieder Lady Audley an. Sie hatte aufgehört, sich hin und her zu wiegen und zu summen. Trotz des schwachen Lichtes konnte ich erkennen, daß ihr Gesicht alle Farbe verloren hatte. Ihre Wangenmuskeln waren gespannt, so fest, als presse sie die Kiefer mit aller Macht aufeinander, und auf ihrer Stirn glitzerte feiner Schweiß.
    Plötzlich begannen ihre Lippen zu beben. Ein röchelnder, unheimlicher Ton entrang sich ihrer Brust.
    »Iä N’ghy n’ghya«, keuchte sie. »Näthägn oa Shub-Niggurath, näfthfath whaggha nagll.« H. P. fuhr

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