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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versuchte ich eine Springflut mit bloßen Händen aufzuhalten. Das war nicht mehr Priscilla. Das war nicht einmal mehr ein Mensch. Vor mir stand ein fremdes Wesen, uralt, böse und von ungeheurer Kraft. »Priscilla«, wimmerte ich. »Bitte. Du …«
    Priscilla lachte. Es war ein Laut, wie ich ihn nie zuvor gehört hatte. »Komm, Liebling«, kicherte sie. »Wehr dich nicht. Es ist soweit.«
    Und ich gehorchte. Meine Arme und Beine bewegten sich ohne mein Zutun. Wie eine Puppe folgte ich ihr willenlos in den Salon.
    Es war kein Verdacht mehr gewesen, sondern Gewißheit, und trotzdem schrie ich wie unter Schmerzen auf, als ich sah, wie Priscilla direkt zu dem Wandsafe trat, in dem sich SIEBEN
    SIEGEL DER MACHT befanden.
    Priscilla blickte die Drehknöpfe einen Moment lang irritiert an, und machte sich dann an den Zahlenschlössern zu schaffen.
    Dabei stieß sie ein einzelnes Wort aus, nein, kein Wort, mehr einen kehligen, unglaublich düster klingenden Laut, der etwas in mir sich wie unter Schmerzen krümmen ließ. Überdeutlich spürte ich die Anwesenheit einer fremdartigen, ungeheuer bösen Macht, die durch ihren Ruf herbeigelockt worden war.
    Obwohl sie nur leise gesprochen hatte, schien der düstere Laut von den Wänden widerzuhallen und bei jedem Echo noch an Kraft zu gewinnen.
    Ich durfte nicht länger zögern. Ich wußte plötzlich, daß Priscilla den Safe öffnen konnte, auch wenn sie die Kombination nicht kannte. Gott, welchen Schutz bot ein Safe gegen ein Wesen ihrer Art!
    »Priscilla«, stöhnte ich. »Nicht!«
    Priscilla fuhr blitzartig herum.

    Ein eisiger Splitter schien in mein Herz zu fahren.
    Wahnsinn und grenzenloser, unmenschlicher Haß hatten ihr Gesicht verzerrt. Ihr Mund war weit aufgerissen; Schaum stand vor ihren Lippen. Ihre schwarzen Augen glitzerten wie im Fieberwahn.
    Ohne auch nur auszuholen, versetzte sie mir mit der Hand einen Schlag, der mich quer durch den Raum gegen die Wand schleuderte.
    Halb bewußtlos sank ich zu Boden.
    Ein greller Schmerz fuhr durch mein Rückgrat, raste durch meinen Körper und explodierte in meinem Nacken.
    Alles verschwamm vor meinen Augen, ein blutiger Nebel senkte sich über mein Bewußtsein. Der unvorstellbare Schmerz lahmte mich, selbst meine Stimmbänder verweigerten mir den Dienst, als ich schreien wollte. Aber irgendwo in einem verborgenen Winkel meines Gehirns regte sich Widerstand, ein letztes Aufbegehren meines Verstandes, das mich zwang, gegen die beginnende Ohnmacht anzukämpfen. Ich durfte nicht aufgeben. Ich mußte … am Leben bleiben. Aufstehen. Kämpfen.
    Mühsam hob ich den Kopf und versuchte die Benommenheit fortzublinzeln. Die Schleier vor meinen Augen lichteten sich ein wenig, gerade so weit, daß ich meine Umgebung wieder schemenhaft erkennen konnte.
    Priscilla kümmerte sich nicht weiter um mich. Sie hatte sich wieder umgedreht, so daß ich ihr entstelltes Gesicht nicht sehen konnte. Ihre Hände lagen auf dem Tresor. Ich sah, wie ein fast unmerklicher Ruck durch ihren Körper ging Sie ließ die Hände herabsinken, riß sie dann in einer blitzartigen Bewegung wieder hoch und stieß sie durch die Tür des Safes!
    Der handbreite Stahl der Safetür wurde geradezu auseinan-dergefetzt, als handle es sich um Papier. Ein unnatürliches, grünliches Leuchten drang aus dem Spalt. Ohne sichtliche Anstrengung riß Priscilla die ganze Vorderfront ab.

    Kreischend gab das Metall nach. Blut lief in breiten, dunklen Strömen an Priscillas nackten Armen herab. Mörtel rieselte aus den fügen, und ein Teil des Putzes und der Tapete bröckelten ab, als der gesamte eingemauerte Safe mit unvorstellbarer Wucht aus der Wand gerissen wurde. Das grünliche Leuchten verstärkte sich noch.
    Ich versuchte auf die Beine zu kommen und lieft mich stöhnend zurücksinken, als erneut ein glühender Dolch nein Rückgrat zu spalten schien.
    Priscilla griff in den Safe und zog ein bizarr geformtes Gebilde heraus, das wie ein unmenschliches Herz zu pulsieren schien und in seinem Inneren das kalte, grünliche Leuchten gebar. Es war jetzt so stark, daß es sogar durch ihre Hände drang. Selbst das Blut, das an ihren Armen herablief, schimmerte grün.
    Ein Alptraum wurde wahr. Die sechs Siegel hatten sich trotz ihrer völlig unterschiedlichen Formen auf unmöglich anmutende Art zu einem Ganzen zusammengefügt, einen fremdartigen Ding mit Flächen und Kanten, die es gar nicht geben dürfte.
    Winkel, die auf sinnverwirrende Art in sich gekrümmt waren, hatten sich gebildet und die

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