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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zugrunde, wenn man sich zu lange damit beschäftigte, ganz gleich, mit welchen Absichten man es tat.
    Nein, ich würde mich dem Monster nicht stellen, und ich würde auch nicht noch einmal ins Innere dieser schrecklichen Uhr treten, ganz egal, was H. P. oder Gray von mir erwarteten.
    Und ich mußte es ja auch nicht die Großen Alten waren in jener Nacht nicht erdacht, wie allein die Tatsache, daß die Welt noch bestand, bewies. Was immer geschehen war, ich hatte nichts damit zu tun. Und ich wollte auch nichts damit zu tun haben. Um meine Entscheidung quasi auch nach außen hin zu dokumentieren, faßte ich zweierlei Entschlüsse: Der eine war, das Arbeitszimmer meines Großvaters gründlich renovieren zu lassen, der andere, mich von dieser fürchterlichen Uhr zu trennen. Sofort.
    Ich bestellte einen Anstreicher und telefonierte mit einem Antiquitätenhändler, der sich höchst interessiert zeigte und schon im Lauf desselben Vormittags vorbeikam. Wir wurden schnell handelseinig kein Wunder, bei dem Preis, den ich verlangte. Er muß wohl angenommen haben, an einen komplet-ten Idioten geraten zu sein, dem Blick nach zu schließen, mit dem er den Scheck ausfüllte. Aber gleich wie kaum zwei Stunden später rollte ein hellroter Kastenwagen vor dem Grundstück an, und vier muskulöse Männer stiegen aus, um die Standuhr abzutransportieren. Ich selbst überwachte ihre Arbeit, gab den vieren anschließend ein Trinkgeld, das annähernd den halben Kaufpreis der Uhr ausmachte, und verbrachte den Rest des Tages damit, mich erleichtert zu fühlen.
    Am nächsten Morgen kamen die Handwerker. Ich hatte eines der besten Unternehmen der Stadt engagiert, und die Männer waren wirklich ihr Geld wert: Zwei Tage lang glich die Bibliothek einem Trümmerfeld, aber als ich am Abend des dritten Tages mithin des fünften seit jener verunglückten Séance mit dem Malermeister ins Zimmer ging, war ich beeindruckt.
    Der Raum sah aus wie neu, wie man so schön sagt. Die Spuren den Brandes waren vollkommen getilgt, Decken und Wände in hellen, freundlichen Farben tapeziert und der Parkettboden frisch abgezogen und ohne den allerkleinsten Fleck. Den Wandsafe hatten die Leute auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin gleich mit übertapeziert. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn herauszureißen, aber dann hätte ich ihn vorher öffnen müssen, und dazu hatte ich wahrlich keine Lust.
    Noch am selben Tag rief ich Londons besten Innenarchitek-ten an, und am nächsten Abend hätte nicht einmal mein Großvater das Zimmer wiedererkannt. Es stand jetzt voll heller, graziler Möbel aus Chrom und Glas. Das neue Bücherregal enthielt nur noch eine Handvoll ausgesuchter und vor allem harmloser Bücher und ansonsten einige Bilder und Grün-pflanzen, und wo das Monstrum von Uhr gestanden hatte, prangte jetzt ein übergroßer Druck von Andy Warhol. H. P.
    würde der Schlag treffen, wenn er dieses Zimmer sah!
    Ich war rundum zufrieden. Zum erstenmal seit dem Tod meines Großvaters sahen mich Mary und die anderen wieder laut pfeifend durch das Haus marschieren.
    Ich war völlig sicher, alles in meiner Macht Stehende getan zu haben, um den Wächter zufriedenzustellen.
    Und ich war hundertprozentig davon überzeugt, daß mir jetzt nichts mehr passieren konnte. Ich Idiot.

    Es vergingen nicht einmal vierundzwanzig Stunden, bis die Wirklichkeit mich einholte. Es war am Nachmittag des darauffolgenden Tages, als Mary in den Salon kam und mit einem diskreten Räuspern meine Aufmerksamkeit zu erhei-schen versuchte.
    »Besuch für Sie, Sir«, sagte sie, nachdem ich das Buch, in dem ich gelesen hatte, sinken ließ und sie fragend ansah.
    »Besuch? Wer?«
    Sie kam gar nicht mehr dazu zu antworten, denn ihr erschienen zwei sehr unterschiedliche Gestalten, von denen die eine die Abmessungen eines kleinen Berges hatte. Mary setzte zu einem geharnischten Protest an, aber Rowlf schob sie einfach aus dem Weg, während H. P. mit weit ausgreifenden Schritten an ihr vorbeiging. Seine Kleidung war noch immer gute hundert Jahre alt, und in der Rechten schwang er ein lächerliches kleines Stöckchen, wie es vor Jahrzehnten Mode gewesen war.
    »Es ist schon gut, Mary«, sagte er. »Robert empfängt uns.
    Das stimmt doch oder?« fügte er hinzu, in meine Richtung gewandt.
    Ich war so verblüfft, daß ich ganz automatisch nickte. Rowlf grunzte zufrieden, schob Mary kurzerhand aus dem Zimmer und schloß die Tür hinter ihr, während H. P. gemächlich auf mich zugeschlendert kam.
    »Das ist

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