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Der Erbe Dschainas

Titel: Der Erbe Dschainas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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›Was für eine Schande‹, schloss die Schnatterente, deren Zähne und Krallen bereits scharf waren.«
    Der Junge verstand es zunächst nicht, bis er das Bild sah, wie die Kreaturen den Bruder zerrissen, als wäre er ein Stück Sauerteigbrot. Dann grinste er entzückt und deutete auf das Bild.
    »Schnatterente!«, beteuerte er, nicht ohne einen schlauen Zug im Gesicht.
    Die Frau bedachte ihn mit einem warnenden Blick und las die Geschichte zu Ende.
    »Und so endet unsere Erzählung mit der Moral: Gib ruhig deine Frikadelle her, aber wende niemals einer Schnatterente den Rücken.«
    Der Nachthimmel war hell von Sternschnuppen, die lange ihre Bahn durch die sauerstoffarme Luft zogen. Gelegentlich stürzte in der Ferne ein größeres Wrackteil bis auf den Boden, und dann sah man einen Blitz und hörte ein Donnern wie von Kanonen auf einem fernen Schlachtfeld.
    »Wenn Drache etwas zu zerstören beschließt, geht er aber auch gründlich zu Werk«, bemerkte Mika.
    »Er arbeitet immer in einem großen Rahmen«, sagte Cormac und trank einen Schluck von dem Tee, den Gant in ihren Vorräten gefunden und gekocht hatte. Cormac und Mika saßen auf ihren Tornistern, während sie dieses Schauspiel betrachteten; Apis stand ein Stück abseits von ihnen und blickte, den Kopf auf die Seite gelegt, zum Himmel hinauf. Gant und der Drachenmann waren unterwegs, ›um ein bisschen kundschaften zu gehen‹, wie Gant es ausgedrückt hatte.
    Cormac deutete mit dem Kopf auf den jungen Outlinker. »Ist Ihnen aufgefallen, dass sein ganzer Hass der hiesigen Theokratie und Skellor auf der Occam gilt? Er hatte kein schlechtes Wort über Drache übrig, obwohl diese Kreatur die General Patten zerstört und viele seines Volkes umgebracht hat.«
    »Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, sagte Mika und musterte den Jungen.
    »Eine solche Haltung ist in der Polis verbreitet – seit Samarkand und wahrscheinlich schon vorher betrachtet man Drache mehr als Naturgewalt und nicht so sehr als eigenständiges Lebewesen. Er ist den meisten Menschen zu riesig und unergründlich, um ihn anders zu sehen. Genauso gut könnte man einen Hurrikan oder Vulkan hassen.«
    »Ich denke, ich habe dafür Verständnis: selbst wer von wissenschaftlicher Objektivität geprägt ist, kann nicht umhin, Ehrfurcht zu empfinden. Er ist gottähnlich in seiner Macht und Größe, und seine delphischen Orakelsprüche unterstützen diesen Eindruck noch. Dazu kommt seine Unsterblichkeit: zwar haben Sie eine Drachenkugel vernichtet, aber Drache lebt trotzdem weiter«, sagte Mika.
    Apis drehte sich zu ihnen um und kam zurück. Als er sich auf den eigenen Tornister setzte, fand Cormac, dass der Junge hinter seinem Visier ziemlich krank aussah.
    »Wie geht es dir?«, fragte er.
    »Die Schwerkraft«, gestand Apis. »Dieses Exo mildert die meisten Auswirkungen, aber ich spüre trotzdem, wie sie an mir zerrt. Ich bin müde, obwohl ich nicht arbeite.«
    Das war im Grunde nicht, wonach Cormac gefragt hatte, aber er ließ es dabei bewenden. »Wir sind alle müde«, sagte er. »Ich würde gern eine Rast zum Schlafen einlegen, aber …« Er deutete auf die eigene Sauerstoffflasche.
    »Oh«, sagte Mika und sah Cormac an. »Ich dachte, als Agent wären Sie … angepasst worden.«
    Cormac dachte darüber nach: Viele Leute, besonders Mitarbeiter der Earth Central Security, hatten ihre Körperfunktionen modifizieren lassen, damit sie im ungünstigsten Fall nur noch wenige Stunden schlafen mussten, und das auch nicht jede Nacht. Zur Zeit seiner Netzverbindung hatte er zu ihnen gehört. Nach Verlust der Verbindung hatte er freiwillig auch auf die restlichen Aufrüstungen verzichtet. Blegg, sein Boss bei der ECS, hatte zu Recht auf die entmenschlichenden Effekte einer Netzverbindung hingewiesen, war damit aber gar nicht weit genug gegangen: nach Cormacs Meinung wirkten alle Aufbesserungen entmenschlichend. Außerdem hatte Cormac festgestellt, dass er bei Wahrung seiner menschlichen Schwächen leistungsstärker war. Das war im Grunde psychisch bedingt, und er wusste, dass man auch diesen Aspekt modifizieren konnte, aber er fand, dass letztlich Menschen irgendwo die Grenze ziehen und selbst entscheiden mussten, in welchem Maße sie sie selbst bleiben wollten. Aufgrund seiner früheren Erfahrung mit einer Netzverbindung wollte Cormac nicht am eigenen Verstand herummurksen, also zog er diese Grenze viel früher als die meisten.
    »Nein«, sagte er. »Ich bin nicht angepasst – und ich bin müde.«
    Mika

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