Der Erbe Dschainas
griff in eine der Seitentaschen des Tornisters, auf dem sie saß, und zog eine Rolle mit Medikamentenpflastern hervor, alle auf der gleichen Papiergrundlage von nicht mehr als einem Zentimeter Breite. Cormac fing die Rolle auf, riss ein Stück ab, entfernte das Pflaster, warf das Papier weg, griff unters Hemd und drückte sich das Pflaster an den Rumpf. Dann hielt er die Rolle hoch, deutete mit dem Kopf auf Apis und machte eine fragende Miene.
»Nein«, lehnte Mika ab.
»Warum nicht?«, wollte Apis wissen.
»Dein Körper ist den ständigen Zug der Schwerkraft nicht gewöhnt, besonders das Herz nicht, sodass die Einnahme eines Stimulans Selbstmord sein könnte. Außerdem brauchst du wahrscheinlich ohnehin keinen Schlaf. Die Naniten, die deine Muskulatur auftauen und die Knochen verdichten, beseitigen auch Stoffwechselgifte.«
»Aber ich bin müde!«, beschwerte sich Apis.
»Ein psychischer Effekt«, versetzte Mika und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
Als das Stimulans die Schicht an Verschwommenheit verbannte, die sich in den zurückliegenden Stunden immer dicker über alles gelegt hatte, war Cormac doch froh darüber, dass sie Mikas Ausrüstung mitgeschleppt hatten. Er selbst hatte von Anfang an eine nanotechnische Boosterbehandlung zur Anpassung an die erhöhte Schwerkraft Callorums abgelehnt, eine Behandlung, in deren Verlauf er vierzig Stunden in einem Tank hätte verbringen müssen. Zum Glück für Apis verfügte Mika über ein interessantes Gerät, mit dessen Hilfe sie Nanomaschinen nach eigenen Spezifizierungen herstellen konnte. Cormac wusste nicht recht, ob das in der Polis gänzlich legal war; außerdem hatte er inzwischen erfahren, dass die erwähnten Spezifizierungen viel ihrer Erforschung des von Skellor erschaffenen Mischwesens zu verdanken hatten. In dem Outlinker ackerten inzwischen ein paar Varianten solcher Nanomaschinen und bauten Muskulatur und Knochen auf und all die übrigen Strukturen, mit deren Hilfe sich der Körper der Schwerkraft stellen konnte. Natürlich brauchte Mika nur einen einzigen Fehler zu machen, und sie mussten Apis womöglich am Ende aus seinem Exoskelett ausgießen. Die Alternative hätte allerdings darin bestanden, dass ihn die null Komma acht g auf diesem Planeten mit der Zeit umbrachten. Der einzige Nachteil der Behandlung bestand bislang nur darin, dass der Junge in einem fort hungrig war. Cormac sah, wie er an der Sensortaste des Halsrings herumfummelte, um das Visier in die Kinnstütze einzufahren, damit er sich einen weiteren Nahrungsriegel in den Mund stopfen konnte.
»Hätte ich geahnt, welche Feiern unsere Ankunft auslöst, dann hätte ich meine Galauniform angezogen«, sagte Gant, der gerade aus der Dunkelheit hervortrat, Narbengesicht an seiner Seite.
»Ich denke nicht, dass die Theokratie derzeit viel zu feiern hat, und ich glaube, sie werden dieses spezielle Feuerwerk ziemlich teuer finden«, wandte Cormac ein.
Gant blieb stehen, drückte sich die APW an die Brust und deutete mit dem Kopf auf den Himmel hinter ihm. »Haben Sie das gesehen?«
Cormac blickte sich um, entdeckte jedoch nichts Bemerkenswertes, aber andererseits ragte das Flötengras dort als zwei Meter hohes Gestrüpp auf und blockierte damit für ihn den größten Teil des Sternenhimmels. Er stand auf, gefolgt von Mika und Apis, und jetzt sahen sie alle, worauf Gant angespielt hatte.
»Ich denke, das war es, was ich auf Samarkand versäumt habe, nicht wahr?«, fragte der Golem.
Cormac sah ihn an und versuchte, aus seiner Miene schlau zu werden. Ja, auf Samarkand … hatte Gant nie Gelegenheit gefunden, sich das anzusehen. Er war unter der Erde zerrissen worden, weniger als eine Stunde, ehe Drache am Himmel auftauchte – wie jetzt hier.
Dieser neueste ›Mond‹ von Masada stand als kleiner, rötlich grauer Pfennig am dunklen Himmel, nicht annähernd so beeindruckend wie der zum Horizont hinabsinkende Riesenplanet Kalypse oder der Mond Amok, der diesem folgte – zumindest so lange nicht, bis man sich vor Augen führte, dass Drache ein Lebewesen war.
»Was denken Sie jetzt?«, erkundigte sich Gant.
»Ja, wirklich«, antwortete Cormac.
Apis blickte vom einen zum anderen, und sein Gesicht drückte dickköpfigen Verdruss aus. »Sie erklären mir nie irgendwas!«, beschwerte er sich.
Cormac freute sich über diese Reaktion – das war besser als die leblose Tüchtigkeit, die der Junge bislang gezeigt hatte.
Er erklärte: »Drache hat wahrscheinlich sämtliche
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