Der Erbe Dschainas
Er gab Aberil mit einem Wink zu verstehen, er solle ihm folgen, und trat ein, sendete den Schließbefehl an die Tür und kehrte dann mit seinen Gedanken widerstrebend zum Unmittelbaren und Alltäglichen zurück, als er sich seinem Bruder zuwandte. »Welche Streitkräfte haben wir auf dem Planeten verfügbar?«
»Sie halten vielleicht zwei Tage lang durch. Danach werden Lellan und ihre Verräter die Lage beherrschen.«
»Wir könnten die Flotte einsetzen und sie aus dem Orbit bombardieren«, schlug Loman vor.
Aberil schüttelte den Kopf. »So verlockend das klingt, es würde nur bedeuten, dass wir die planetare Oberfläche verlieren. Die einzigen Waffen, die die Flotte für eine Bombardierung aus dem Orbit zur Verfügung hat, sind Atomwaffen, und Lellans Truppen sind schon weit auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen vorgestoßen und nähern sich der Stadt und dem Raumhafen.« Er zögerte. »Obwohl, falls es die Umstände erlauben sollten …«
Loman ging zu einem der langen, übertrieben gepolsterten Sofas und senkte sich hinein. »Was schlägst du dann vor, Bruder?«, fragte er.
Aberil antwortete: »Unsere Soldaten haben genug Zeit in Barmherzigkeit verbracht und dort für Amolorans alberne Pläne geübt. Ihr Einsatzzweck besteht von jeher in Landungsoperationen und begrenztem Bodenkrieg. Also setzen wir sie doch dafür ein.«
»Man wird Einwände erheben«, sagte Loman. »Viele würden dies eine Polizeiaktion nennen, unter der Würde von Soldaten, die man im Grunde ausgebildet hat, um die Polis anzugreifen.«
»Dann beweisen sie durch diese Einwände ihre Treue zu einem toten Hierarchen statt zu dir – und zu Gott. Die Soldaten selbst werden nicht protestieren, und sie sind der wichtigste Faktor. Andere Oppositionelle – vielleicht ein paar Offiziere aus hohen Familien – können ja den Dampfkochtöpfen einen Besuch abstatten, sollten sie allzu viel inneren Widerstand empfinden. Ich vermute jedoch, dass das nicht der Fall sein wird.«
Loman musterte seinen Bruder, wie er dort stand, die Hände schlaff an den Seiten hängend, das Gesicht und die ganze Haltung bar jeden Lebens. »Sehr gut«, sagte Loman. »Ich habe dich zum Ersten Commander ernannt, und du wirst jetzt entsprechend handeln. Ziehe deine Leute aus Barmherzigkeit ab und schicke sie auf den Planeten.« Mit einem gesendeten Gedanken öffnete Loman schon die Tür für seinen Bruder. Der flüchtige Ausdruck, der über Aberils Gesicht lief, erinnerte beinahe an Schmerz, und er drehte sich abrupt um und ging. Loman sah zu, wie sich die Tür wieder schloss, erkundete dann erneut die Welt der Gabe und fragte sich, wie stark er dort die Menschen in seine Hand bekommen und sich zu eigen machen konnte – wie es ihm schon auf der körperlichen Ebene gelungen war.
Mit einer gewissen Verwirrung setzte sich Thorn in die Umrandung eines riesigen Ballonreifens, der zu einem der Geländefahrzeuge gehörte, setzte den Helm der Uniform ab und hängte ihn auf den Lauf des Impulsgewehres, das er schon an den Reifen gelehnt hatte. Die Infanterie – die sich gerade versammelte, um den vier Panzern zu folgen, sobald der nahe gelegene Tunnel dafür bereit war – war ähnlich bewaffnet und uniformiert wie Thorn selbst. Er fühlte sich an manch ähnliche Erlebnisse erinnert, sogar an solche aus seiner Zeit vor der Sparta-Modifizierung – an Erlebnisse aus einer Zeit, ehe er die Uniform ausgezogen und einen Teil der scheinbar sauberen Moral des direkten Kampfes von Mann zu Mann abgelegt hatte. Er fühlte sich versucht, einfach nur diese Männer und Frauen zu begleiten, die Verantwortung abzuschütteln und nur Befehlen zu gehorchen, aber das konnte er nicht tun. Seine Sparta-Ausbildung und die spätere Schulung zum ECS-Agenten hatten erstaunlicherweise sein moralisches Empfinden gestärkt und auch seine Neigung, nach den wirklich schmutzigen Jobs zu suchen, um sie selbst auszuführen. Er hatte auch die Erfahrung gemacht, dass diese Jobs nie schwer zu finden waren.
»Agent Thorn, antworten Sie bitte.«
Die Stimme aus dem Helm klang blechern, war aber doch als die Polas' erkennbar, des Mannes aus der Einsatzzentrale der Rebellen. Thorn setzte den Helm wieder auf und klappte den Seitenschirm – der den Transceiver und weitere Militärtechnik enthielt – nach unten in Position.
»Hier Thorn«, sprach er in das Mikro direkt neben dem Mund.
»Ich habe die verlangten Koordinaten gesendet. Sie finden sie als Meldung Nummer sechs. Alle übrigen Meldungen
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