Der Erbe Dschainas
Gant, dem das sichtlich peinlich war, langsam vom Boden hochschwebte. Dann wandte Cormac sich wieder Cento zu.
»Outlinker, bewusstlos, Knöchel gebrochen«, verkündete der Golem nach kurzer Pause.
»In einem Kältebehälter haben wir noch jemanden: eine Frau. Die Passagierliste spricht jedoch von fünfundzwanzig Personen an Bord«, sagte Aiden.
»Sie sind nicht hier?«, fragte Cormac unnötigerweise. Er sah gar nicht, wie Aiden den Kopf schüttelte. Ein Outlinker in einem Landungsboot von Masada; was hatte das nun zu bedeuten?
»Was denkst du, wie lange es dauert, bis ich mit ihm reden kann?«, fragte er Cento, der den Knöchel des Jungen sondierte.
»Ich bringe ihn auf die Krankenstation; dann liegt diese Entscheidung bei Mika.«
Cormac nickte und zog sich in die Luftschleuse zurück. Die Drohne gab ihm rasch den Weg frei, indem sie in den Laderaum hinausschwebte.
»Tomalon, ich möchte, dass Sie auf dieser Position bleiben, bis wir die Sache geklärt haben. Wir erhalten dadurch vielleicht eine bessere Vorstellung von dem, was uns am Ziel erwartet.«
Die Drohne sagte: »Sie kommandieren dieses Schiff nicht.«
»Ich weiß«, sagte Cormac.
»Ich kann Ihnen zwanzig Stunden geben.«
Apis Coolant kam in drei Stunden wieder zu sich.
Skellor ging der Frau nach, während sie dem Gang folgte, und näherte sich ihr dann, nachdem sie die drei Drohnen in ihrer Begleitung zu anderen Aufgaben weggeschickt hatte. Er fragte sich kurz, was für ein Schiff das war, das menschliches Wartungspersonal benötigte, aber dann wurde ihm klar, dass es sich um ein altes Fahrzeug handeln musste – vielleicht eines, das von den zahlreichen Konflikten übrig geblieben war, zu denen es in der frühen Ausbreitungsphase der Polis gekommen war. Somit konnte die Schiffs-KI keine solch gottähnliche Wesenheit sein wie die neueren Polis-KIs, und ein Großteil des Schiffes entzog sich dann sicher ihrer Kontrolle – daher das menschliche Wartungspersonal. Darüber hinaus fand man auf diesem Schiff wahrscheinlich einen Interface-Kommandanten und vielleicht sogar eine Kommandobesatzung. Da Skellor die eigenen Fähigkeiten noch nicht völlig überblickte, konnte er nicht beurteilen, ob seine Aufgabe dadurch leichter oder schwerer wurde.
Mit leisen Schritten über die Keramal-Decksplatten näherte er sich der Frau. Sie trug einen Verstärker, der einem facettierten Saphir ähnelte; sie steckte eine Strähne ihrer langen blonden Haare hinter ihn, als sie vom Notescreen aufblickte und sich umsah. Sie konnte Skellor, obwohl er nur wenige Schritte hinter ihr stand, nicht sehen, da seine Chamäleonware aktiv war. Zunächst der Verstärker, entschied er, damit sie keinen Hilferuf senden konnte. Er streckte die Hand aus, stoppte sie, nur wenige Zoll vom Gesicht der Frau entfernt, und genoss den Kitzel, den es ihm vermittelte, so dicht neben ihr zu stehen und doch nicht gesehen zu werden – so viel Macht zu haben. Dann schloss er die Finger um den Verstärker und riss ihn ihr aus dem Schädel.
Sie schrie auf und duckte sich reflexartig; Blut quoll ihr hinter dem Ohr hervor, wo Skellor die Verankerung des Verstärkers aus dem Knochen gerissen hatte. Skellor schleuderte das Gerät vom Laufsteg und verfolgte mit, wie es in gerader Linie in die Eingeweide des Schiffes weiterflog, da es dem Einzugsbereich der Gravoplatten entzogen war. Die Frau richtete sich wieder auf und blickte sich entsetzt und verwirrt um. Skellor nahm jetzt die Dschaina-Aufrüstung des eigenen Körpers offline, denn er hatte rasch gelernt, dass er die eigene Kraft nicht einschätzen konnte, wenn sie lief. Dann versetzte er der Frau einen seitlichen Faustschlag an die Schläfe, wie er es von einem der Kampfausbilder der Separatisten gelernt hatte. Als sie zusammensackte, fing er sie auf, startete die Aufrüstung wieder und warf sich die Frau so mühelos über die Schulter, als wäre sie ein Sack aus Polystyrol. Er weitete das Ware- Feld aus, damit es sie einschloss, und entfernte sich rasch. Hätten andere Personen seinen Angriff gesehen, dann hätte sich ihnen einfach das Bild geboten, wie die Frau in die Luft stieg und verschwand.
Eine der Drohnen, die die Frau vorher losgeschickt hatte, kam ihm auf dem Laufsteg entgegen. Er drückte sich ans Geländer, um ihr Platz zu machen, und lächelte dabei vor sich hin – völlig unsichtbar, sogar für Maschinen mit einem größeren Sinnesspektrum, als Menschen es hatten.
Wenig später erreichte er den verlassenen Laderaum, wo er
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