Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
Manuels Worte in den Ohren.
Würde sie das wirklich sein? Rechtmäßig angetraut. Seine Ehefrau. Nicht Geliebte oder gar geliebte Ehefrau. Ihr Herz hatte vor lauter Traurigkeit geschmerzt und dieses Gefühl war bisher nicht abgeklungen.
Sie stellte für ihn nichts anderes als eine weitere Verpflichtung dar. Manuel fühlte sich für sie verantwortlich, weil sie sein Kind erwartete. Mittlerweile würde sich seine gesamte Familie über ihr Glück freuen und über nichts anderes als den künftigen Erben von Sean Garraí reden. Sie konnte es weder Suse noch Damien verübeln, der vor allem deshalb zufrieden war, weil er endlich sicher sein konnte, den bitteren Kelch der Verantwortung für das Anwesen losgeworden zu sein. Denn nun würde Manuel für immer in Killenymore bleiben und nicht wieder Zuflucht auf See suchen wie schon einmal.
Aber sie wollte mehr. Sie wollte Manuels Liebe und sein Vertrauen. Das war nicht zu viel verlangt, doch wie sie inzwischen wusste, hatte er beides auf See verloren. Sie musste sich damit abfinden, dass er in ihr nie etwas anderes als die Mutter seines Kindes sehen würde, „die Mutter des Erben von Sean Garraí “, wie er so gern betonte.
Obwohl die Erkenntnis wie ein Dolch ihr Herz durchschnitt, war es zum Lamentieren zu spät. Manuel war ehrlich genug gewesen, ihr keine leeren Versprechungen zu machen. Sie hatte genau gewusst, was auf sie zukommen würde. Lediglich einen kurzen Moment hatte sie sich gefragt, warum sie nicht vorsichtiger zu Werke gegangen war.
Im Nachhinein musste sie sich eingestehen, dass sie das gar nicht gewollt hatte. Weil sie Manuel liebte. Weil sie alt genug für ein Kind und obendrein in ihrem Beruf derart erfolgreich war, dass sie es sich durchaus leisten konnte, ein paar Jahre kürzerzutreten, um sich auf ihr Baby zu konzentrieren.
Sie blickte auf die Briefe in ihrer Hand und musste plötzlich aus voller Kehle lachen. Sie bekam ein Kind! Und sie wollte es! Großer Gott, sie wollte es so sehr, weil sie es schon jetzt über alles liebte.
39. Kapitel
Sie kam zu spät! Wie so oft, wenn sie sich in Irland aufhielt, hatte sie völlig die Zeit vergessen. Sie schimpfte leise vor sich hin, während sie die Straße hinunter auf Nolan’s Pub zu strebte.
V or zwei Stunden hatte sie sich in die Gemeindebibliothek verkrümelt, weil sie dort sicher sein konnte vor klatschsüchtigen, wenngleich netten, alten Damen, welche sie mit guten Ratschlägen und Ideen für die Ausrichtung der bevorstehenden Hochzeit durch das halbe Dorf verfolgt hatten. Hä, welche Hochzeit? Dann allerdings hatte sie übers Lesen und Blättern in alten Zeitungen beinahe alles aus dem Gedächtnis gestrichen, was ihr derzeit Kopfzerbrechen bereitete.
Wie gesagt, b einahe. Und zwar bis vor genau zehn Minuten! Und Schuld am neuerlichen Auflodern ihres Ärgers trug ausgerechnet Jamie Lunny! Ausgerechnet er, der genau wie sein Vater bei jeder sich bietenden Gelegenheit wie ein Gockel um sie herumstolzierte und mit provokanten Andeutungen und eindeutigen Avancen bei ihr zu landen versuchte. Und das, obwohl er wusste, dass ihr der Herr Graf einen Braten in den Ofen geschoben hatte – Ganz recht, genau so hatte er sich ausgedrückt! – und sie obendrein ehelichen wollte. Was bildete der sich eigentlich ein?
Hätte er sie nicht mitten auf der Straße angesprochen, wäre sie ihm vermutlich an die Gurgel ge sprungen. So musste sie ihrer Wut bedauerlicherweise Zügel anlegen und sich mit einem wohl gezielten Haken und einem fürchterlichen Fluch, seine Manneskraft betreffend, zufrieden geben. Sie war überzeugt, dass sich schon bald eine günstigere Gelegenheit zum Abreagieren bieten würde.
War es ein Wunder, dass ihr nach den Aufregungen dieses Morgens der Sinn nicht nach einem Essen stand? Es machte also gar nichts, wenn sie sich verspätete. Außerdem hatte sie als werdende Mutter sehr wohl Anspruch auf einen gewissen Bonus an Nachsicht. Sie war wirklich nicht allzu hungrig, dachte sie, während sie gleichzeitig hoffte, dass die Tische bereits abgeräumt waren. Denn wenn sie jetzt zu Manuel ging und unterwegs zufällig ein Messer ihren Weg kreuzte, würde sie ihm damit zweifellos seine schwatzhafte Kehle durchschneiden.
Sie lachte bitter und strich sich mit zittrigen Fingern eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Warum eigentlich nicht? Spaß musste sein! Er hatte schließlich auch den seinen gehabt. Und er hatte den Tod verdient. Dieser dreimal verfluchte, starrsinnige, geschwätzige Ire!
Mit
Weitere Kostenlose Bücher