Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
nimmst und mit mir schläfst?“
„Wen … dich natürlich. Wen, zur Hölle, sonst?“, blaffte er, denn er wusste, dass er einen Wimpernschlag zu lange gezögert hatte. Und dass sie ihm vermutlich ohnehin nicht glaubte. Denn hätte sie eine solche Frage überhaupt erst gestellt, wenn sie sich nicht bereits eine Antwort zurechtgelegt hätte?
„Ich sehe dich“, betonte er, als würde die Wiederholung des Wortes die Wahrheit verscheuchen.
Er hatte Verärgerung oder wenigstens Eifersucht in ihren Augen erwartet, nicht jedoch dieses ehrliche Mitgefühl, welches jetzt aus ihren Worten sprach, als sie leise bat: „Erzähl mir von ihr.“
Er s chaute sie verwirrt an und spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss.
„Es ist doch die Stewardess, die diese Kälte und Leere in deinem Herz zurückgelassen hat.“ Sie wusste, dass es so war. „Die, nach der du die ganze Zeit schon suchst, obwohl du sie in den Tod hast stürzen sehen. Emilia, nicht wahr? Wie war sie?“
„Das ist unwichtig.“
„Es interessiert mich aber. Immerhin hast du sie geliebt.“
„Liebe.“ Er sprach dieses Wort derart vorsichtig aus, dass es fast schon lächerlich klang. „Ich habe lange nicht an Emilia gedacht. Warum auch? Sie wird vermisst. Ich muss mich damit abfinden, dass sie über kurz oder lang für tot erklärt wird. Komisch, dass du ausgerechnet jetzt, da ich mich mit Heiratsabsichten trage und eine Familie gründen werde, auf sie zu sprechen kommst.“
„Wann dann? Wann willst du die Vergangenheit begraben, wenn nicht vor dem Beginn eines neuen Lebensabschnitts?“
„Emilia spielt keine Rolle mehr. Aber das hatte ich bereits gesagt.“
Seine Worte nagten an ihrer Seele. Und verhöhnten sie. Sie wollte verdammt sein, wenn sie den Platz einer Toten einnehmen würde. Er zeigte ein beiläufiges Lächeln und Alicia spürte, wie ein Schmerz sie durchzuckte, ein echter Schmerz wie bei jenem Schlag, der ihr tagelang ein blaues Auge beschert hatte. Weil das, was er da von sich gab, eine Lüge war. Denn er dachte nach wie vor an sie, suchte sie vielleicht immer noch, auch wenn er nicht mehr jeden Tag ungeduldig auf den Postzusteller wartete wie anfangs.
„Was ist so schwer daran, darüber zu reden?“
„Sie war ein männermordender Vamp, wenn du es genau wissen willst. Zermalmte mich zwischen ihren perlweißen Zähnen und spuckte den Rest wieder aus. Siehst ja, was übriggeblieben ist. Anderes Thema.“
„Irgendetwas Faszinierendes, Liebenswertes, Gutes muss sie doch aber an sich gehabt haben , dass du sie wolltest. Wenn es dir lediglich um Sex gegangen wäre, hätte dich ihr Verlust nicht so sehr mitgenommen.“
Er schnellte zu ihr herum. „Ich sagte, anderes Thema. Im Bett war sie eine heiße Nummer, reicht das?“
„Ist das alles?“
„ Ja, das ist alles. Dutzende zufriedene Seeleute fanden sexuelle Erfüllung zwischen ihren Schenkeln und der kleine irische Scheißer ließ sich von ihr einwickeln wie ein dummes Brot.“
Seine Verbitterung traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie fasste seinen Arm. „Ents chuldige, ich wollte keine unangenehmen Erinnerungen wecken.“
„Mein Problem, oder? Frag einfach nicht mehr.“
„So viel also zum Thema Vertrauen und Ehrlichkeit. Ich weiß nicht, welchen Sinn unter diesen Umständen eine Diskussion um Heirat und Familie haben soll.“
Die folgende Stille schrie förmlich nach seiner Erwiderung. Wenngleich er ahnte, wie sehr sein Schweigen ihn belastete, konnte er sich nicht dazu durchringen, etwas zu sagen.
„Ich hoffe, du bist glücklich damit.“ In ihren Augen glitzerten unvergossene Tränen. Mit einer trotzigen Geste schob sie ihr Kinn vor und wandte sich um, während sie insgeheim auf ein Wort von ihm wartete.
Zur Hölle mit der Frau, die er geliebt und verloren hatte! Sie wünschte ihm wirklich Glück bei seiner Suche nach ihr. Und nach sich selbst. Auf keinen Fall würde sie sich in seine Angelegenheiten einmischen oder versuchen, ihn mit ihrer Meinung zu beeinflussen, wie er es bei ihr tat. Es war allein seine Sache, wie er aus diesem Schlamassel herausfand. Es ging sie nichts an.
Aber sie wusste, dass das nicht stimmte. Es ging sie sehr wohl etwas an, denn sie war eine der beiden Frauen, von denen er bekommen hatte, was er wollte – von Emilia Liebe, von ihr, Alicia, einen Erben.
„Ich war überzeugt davon, sie zu lieben. Vom ersten Augenblick an, als sie an Bord kam, wollte ich sie. Voller Leidenschaft.“ Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.
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