Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
andere Dinge getan und dabei Kopf und Kragen riskiert. Für dich, Mann!“
„Sie haben mich …“
„Ja, weil du dich nicht hast …“, ergänzte Damien ungerührt. „Wäre dir lieber gewesen, mam wäre aus Sorge um dich verrückt geworden? Es war unverantwortlich von dir, sie völlig im Ungewissen über deinen Verbleib und dein Wohlergehen zu lassen. Und deswegen kam Pa auf die Idee, alte Bekannte in der Reederei aufzusuchen, die hin und wieder ein Auge auf dich hatten und ihm über dein Befinden berichteten. Seit seinem Tod sind die Nachrichten allerdings immer spärlicher geflossen. Und von einer Katastrophe auf deinem Schiff haben wir überhaupt nichts erfahren.“
„Es war nichts weiter.“
Aha, bemerkte Damien für sich, der Herr will also nicht darüber reden. Es war wohl viel mehr als lediglich ein bedeutungsloser Unfall gewesen. Er hatte einen verbitterten, einsamen Menschen aus seinem großen Bruder gemacht. Was mochte er erlebt haben, dass ihm ein angeblich bedeutungsloser Unfall zu Bewusstsein gebracht hatte, dass irgendwo auf dieser Welt eine Familie auf ihn wartete? War er demnach noch nicht verloren, wenn er all seine Hoffnung auf die Heilung seiner Wunden in seine Familie setzte?
Langsam schritt Manuel über den sauber geschrubbten, leicht schräg abfallenden Zementfußboden durch den Stall, der innen ebenso gepflegt war wie außen. Als Matthias vor Jahren mit der Pferdezucht begann, hatte er beim Umbau des Stalles auf Großräumigkeit, viel edlem Holz und satten Naturfarben bestanden. Das elegante Design hatte eine Menge Spötter auf den Plan gerufen, Matthias indes hatte sich davon nicht beirren lassen – wie immer, wenn er sich etwas vorgenommen hatte. Inzwischen hatten die Erfolge seiner Zucht das Konzept artgerechter Haltung bestätigt. Sean Garraí war zu einem regelrechten Königreich für Pferde geworden.
Manuel spähte in die großen, wabenförmigen Boxen, an deren nur halb so hohen Türen Namensschilder aus Messing geschraubt waren. „Die Tiere leben hier richtig komfortabel. Und wie es aussieht, fühlen sie sich wohl in ihrem Schloss.“
„ Wir tun unser Bestes.“
„ Ich habe davon nicht so viel Ahnung wie du“, gestand Manuel mit kläglichem Lachen. „Aber sogar ein Laie kann nicht umhin, ihre Schönheit zu erkennen. Wie viele habt ihr momentan? Wenn ich das fragen darf?“
„Es wird Zeit, dass du dich dafür interessierst, Großer. Schließlich gehören sie zu deinem Erbe.“
„Darum geht es nicht.“
„Oh, doch!“, fuhr Damien heftig auf. „Mir nämlich schon! Denn ob du es nun wahrhaben willst oder nicht, ob du für immer oder bloß für ein paar Tage bleibst, es ist deine Aufgabe, dich um all das zu kümmern.“ Er rieb seine Stirn an der von Driseog und strich ihr über den Hals. „Nicht wahr, meine Hübsche, so ist es doch? Wir haben das lediglich vertretungsweise und aus Großherzigkeit für diesen Rumtreiber getan. Höchste Zeit, einen Schlussstrich darunter zu ziehen. Dieser blöde Schreibkram hängt uns inzwischen nämlich so richtig zum Hals raus.“
Nach einer Weile wandte er sich wieder seinem Bruder zu. „Wir verkaufen jedes Jahr etwa fünf Pferde, meistens mehr, selten weniger. Dazu kommen die Einnahmen von den beiden Deckhengsten. Von den Pachteinnahmen können wir nicht einmal die Ausgaben für das Personal bestreiten, weil der Pachtzins in den letzten Jahren derart häufig gesenkt worden ist, dass wir die Leute ebenso gut dafür bezahlen könnten, dieses Land zu nutzen und hier zu leben.“
„Das hört sich nicht gut an. Wie kommt ihr damit zurecht?“
„Es könnte auf alle Fälle schlechter gehen. Aber Éamonn und Noel haben sämtliche Hände voll zu tun mit den Tieren, die wir haben. Mehr schaffen sie beim besten Willen nicht ohne fremde Hilfe. Und die können wir uns momentan nicht leisten.“
„Dabei gibt das Land eine ganze Menge mehr her.“
„Das wird es, wenn ich in Zukunft wieder ausschließlich mit den Tieren arbeiten kann. Bisher musste ich zu viel Zeit in andere Dinge investieren, Büroarbeiten und Ähnliches, obwohl mir mam einen Großteil davon abgenommen hat. Oder Alicia. Sie ist ein richtiges Zahlengenie, hat mir sogar ein Computerprogramm geschrieben.“ Er sah Manuel eindringlich an, als könnte er ihm allein mit seinem Blick eine befriedigende Antwort entlocken. „Ich bin Pferdetrainer, kein Buchhalter, vergiss das nicht.“
„Zeigst du mir …“
„… was dich erwartet?“, vollendete Damien lachend Manuels
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