Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
nachdenkt.“
„ Na schön, dann war es also eine beidseitige Entgleisung. Es wird nicht wieder vorkommen“, fügte er hinzu und war sich alles andere als sicher, dass er tatsächlich meinte, was er da von sich gab.
Die Tragödie auf der „Charley“ war ihm wie ein Schlussstrich unter die Chance erschienen, je seine Träume zu verwirklichen. Sie hatten ihn in der Klinik notdürftig zusammengeflickt und dann mit verlegenem Bedauern an die nächsten und übernächsten und wieder irgendwelche Spezialisten weitergereicht, damit die ihr Glück an ihm versuchten, bis sie schließlich ebenfalls nach mehreren Monaten kapitulierten.
Also hatte er sich geschworen, sein Herz vor neuen Hoffnungen zu verschließen , denn sämtliche Illusionen von einer neuen Liebe und einer eigenen Familie hatten sich am letzten Tag der „Charley“ mit einem Paukenschlag davongemacht. Seitdem hatte er gelernt, sich mit einem Panzer aus stoischer Gleichmütigkeit zu umgeben. Sollten sie ihn ruhig für einen arroganten, klugscheißenden Widerling halten. Es kümmerte ihn nicht.
Doch ein einziger Kuss von dieser Frau ließ all seine guten Vorsätze ins Wanken geraten. Das konnte er nicht zulassen.
„Du solltest besser gehen. Ich habe getrunken und ich bin …“
Ihre Nähe hatte seine Sinne geweckt. Sie musste bemerkt haben, wie sehr ihre Berührung ihn erregte.
„Geh jetzt, solange du noch die Gelegenheit hast.“
Sie wandte sich ihm zu, weil sie den Zorn spürte, der in seiner Stimme mitschwang. „Warum bist du wütend auf mich?“
„ Ich bin nicht wütend. Du solltest einfach nicht in meiner Nähe sein, wenn ich betrunken bin. Ich könnte leicht die Kontrolle über mein Verlangen verlieren. Ich hatte schon viel zu lange keine Frau mehr. Wenn du dich mir allerdings derart hemmungslos an den Hals wirfst, riskierst du, dass ich Schranken übertrete. Wir werden es morgen bereuen.“
Er war sich kaum bewusst, dass er zusammenzuckte, als s ie ihre Hand auf seine legte. Sie dagegen bemerkte es sehr wohl und es gefiel ihr überhaupt nicht. Sie spürte einen schmerzhaften Stich in ihrem Herz.
„Was hast du?“
Wie es aussah, war er nicht bloß betrunken, sondern vor allem ärgerlich, weil er sich wie ein jämmerlicher Waschlappen bei ihr ausgeheult und viel mehr erzählt hatte, als gut für ihn war.
„Du … du weißt doch, weshalb ich dich geküsst habe?“
Erwartete er, dass sie jetzt mit ihm über die Beweggründe für diesen Kuss diskutierte? Er würde alles kaputtmachen. Dabei hatte sie gehofft, sich die Erinnerung an den kurzen Augenblick zu bewahren, in dem er sie begehrenswert gefunden hatte.
„Du weißt bestimmt, dass es nichts zu bedeuten hat?“
„ Nichts trifft es wohl nicht ganz“, stellte sie sachlich klar. Denn sie hatte seine Erregung gespürt und das war in der Tat ein handfester Beweis für seine Empfindungen gewesen.
„Ich gebe zu, ein … ein gewisses … Verlangen empfunden zu haben. Nichtsdestotrotz halte ich dieses … Es war ein lediglich körperliches Bedürfnis. Völlig normal für einen Mann. Ich hätte bei jeder anderen Frau, die sich mir anbietet, genauso reagiert.“
Verdammt, warum konnte er den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen? Merkte er gar nicht, wie sehr er sie mit seinen Worten verletzte?
„Ich denke, bei Frauen ist das nicht viel anders. Zumal du ziemlich gut küssen kannst.“
Es verschaffte ihr eine gewisse Genugtuung, als sie beobachtete, wie er erneut seine Gesichtsfarbe wechselte. Seine Ohrenspitzen waren bereits dunkel gefärbt, ein untrügliches Zeichen aufkeimender Weißglut.
„Dann verstehen wir uns ja bestens!“
Was er außerdem knurrte, konnte sie nicht mehr verstehen, da seine Worte von dem Knallen der Tür übertönt wurden.
10. Kapitel
Wohl zum hundertsten Mal begutachtete Susanne die Biertische und Bänke, die auf dem Rasen neben der Auffahrt aufgebaut waren. Das letzte große Fest, welches sie auf Sean Garraí für die Dorfbewohner ausgerichtet hatten, lag mehr als ein Jahr zurück, rief sie sich ins Gedächtnis, sobald sie am Sinn dieser Aktion zu zweifeln begann. Höchste Zeit also, an diesem Missstand etwas zu ändern.
Ob die Plätze wirklich ausreichten? Vielleicht sollte sie noch ein paar Decken holen, damit sich die Kinder im Gras nicht ihre Kleider schmutzig machten. Aber was, wenn es anfing zu regnen? In Irland erschien ihr das kein so abwegiger Gedanke zu sein. Obwohl, schlimmer wäre vermutlich in den Augen ihrer Gäste, wenn das Bier
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