Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
seiner Überraschung akzeptierte er schließlich ihre Berührung.
„Es hat keinen Sinn, Zeit mit Selbstvorwürfen zu verschwenden , Manuel. Vor allem dann nicht, wenn du die Dinge nicht ändern kannst. Du solltest stattdessen dankbar sein, dass du dieses Inferno überlebt hast.“
Er streifte ihre Arme ab, lachte hart und unfroh. „Ich wünschte, es wäre so einfach. Manche Menschen sind wohl nicht für das Glücklichsein geschaffen. Ist dir das noch nie in den Sinn gekommen?“
Für einen Mann, der jede Minute seines Lebens mit Planen, Verwalten, Kämpfen und Erobern verbracht hatte, war der Augenblick des Sichergebens eine äußerst seltene Erfahrung. Er fühlte sich benommen, als ob sich ein warmer Nebel über ihn gesenkt und die Ecken und Kanten dieser Welt verwischt hätte. Er konnte sich nicht erklären, was dieses Selbstbekenntnis heraufbeschworen hatte, aber irgendwie ergab ein Wort das andere, bis er mit Geheimnissen herausplatzte, die er noch keinem erzählt hatte. Es wäre ihm weitaus lieber gewesen, sie hätte sich über ihn lustig gemacht oder sich kühl von ihm distanziert. Ihr Verständnis und ihr Mitgefühl dagegen waren ihm unerträglich
„Ich möchte jetzt wirklich nicht mehr darüber reden.“
„Dann … tja, also … Wie geht es deiner Schulter? Es bekommt ihr sicher nicht allzu gut, wenn du am Schreibtisch schläfst.“
„Ich möchte …“
Nur einen Kuss, schwor er sich verzweifelt. Es war falsch, das wusste er. Er empfand nichts für sie und er war für sie ungeachtet aller Sympathie ein Fremder. Ein einziger Kuss, um sich davon zu überzeugen, dass er lebte, dass ein Herz in seiner Brust schlug und er irgendetwas spürte, dann würde er sie nie wieder anrühren.
Er erhob sich und hielt Alicia zurück, die sich von ihm entfernen wollte. Sie protestierte nicht, als er sie jetzt in seine Arme zog, im Gegenteil, er selber fühlte sich plötzlich unsicher, weil sie ihre Wange vertrauensvoll an seine Brust legte und ihre Hand behutsam über die Narbe in seinem Gesicht tastete. Dankbar nahm er ihre stumme Einladung an. Er wollte nicht über den Grund für ihre Freigebigkeit nachdenken, selbst wenn sie lediglich Mitleid dazu treiben mochte oder der Wunsch, ihm Trost zu schenken. Seine Lippen streiften die ihren so leicht wie ein Windhauch. Er drückte sie enger an sich. Ganz langsam öffnete sie ihre Lippen und gab sich dem atemberaubenden Gefühl seines Kusses hin. Seine Zunge erkundete mit lässiger Ruhe ihren Mund, streichelte und neckte sie, als hätte er alle Zeit der Welt und könnte sich keine angenehmere Art vorstellen, sie zu verbringen.
Ihre Hingabe entfachte in ihm heißes Verlangen. Mehr. Noch ein bisschen mehr. Dann würde er es beenden.
Dabei wusste er, dass er nicht würde aufhören können.
Sie stöhnte leise und dieser sinnliche Laut ging ihm durch und durch. Sein Herz raste, ihm wurde heiß, als ihm das Blut machtvoll an jene Stellen schoss, an denen sich ihre Körper berührten. Seine Augen verengten sich in lässiger Sinnlichkeit. Er musste sie haben! Hier und jetzt!
Aus den Augenwinkeln streifte sein Blick den breiten Schreibtisch und die Bücherregale , den weichen Teppich vor dem Kamin. Und dann Alicia. Er erschrak dermaßen heftig, dass er den Kuss unvermittelt beendete. Er löste sich unsanft von ihr, schob sie auf Armlänge von sich und musterte sie mit nervöser Wachsamkeit.
Hatte er allen Ernstes geglaubt, er könnte ihr höchstens einen Kuss geben? Nannte er das einen kleinen Fehler machen? Er war ein Narr! Er hatte ihr die Macht gegeben, ihn mit ihrer Hingabe zu zermalmen.
„ Großer Gott!“
Verwirrt blinzelte sie und versuchte , sich einen Reim auf die jähe Veränderung zu machen, die sie an ihm beobachtete. Sie räusperte sich mehrmals aus Angst, die Stimme könnte ihr versagen.
„Lass mich bitte los.“
„Ich habe dich nicht gezwungen.“
„Das habe ich auch nicht behauptet , Manuel. Aber du tust mir weh.“
Er riss seine Hände weg und rammte sie in die Hosentaschen. Und zog sie ebenso schnell wieder hervor. Seine Ohren färbten sich tiefrot, als er die auffällige Wölbung in seiner Hose mit einem finsteren Blick bedachte. Mit einem großen Schritt flüchtete er sich hinter seinen Schreibtisch und sammelte übertrieben eifrig die darauf verstreuten Papiere ein.
„Ich wollte das nicht.“ Was immer er damit auch meinte.
„Stell dir vor, ich genauso wenig. Aber manchmal passiert es einfach, ohne dass man großartig darüber
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