Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
zwischen ihnen hing und machtlos mit ansehen musste, wie sich die Männer über die Bäckerin hermachten, einer nach dem anderen, bis ihre erstickten Schreie zu einem leisen Wimmern wurden und sie schließlich ganz verstummte. Eine Polizeisirene ganz in der Nähe war es, die dem wüsten Treiben irgendwann ein Ende bereitete. Lediglich diesem Umstand hatte er es zu verdanken, dass sie von der Bäckerin abließen und sich nicht ebenfalls an ihm vergingen.
Das nackte Grauen hatte ihn gepackt, als er Alicias Schrei auf dem Hügel hörte und er sich nicht von der Stelle hatte rühren können. Abgrundtiefes Entsetzen, als er begriff, dass ihr etwas zugestoßen war. Erst nachdem sie in seine Richtung rannte, war die Wut in seinem Schädel explodiert und hatte ihm seine Beweglichkeit zurückgegeben.
Wieder hatte er einen Menschen, der auf seine Hilfe gehofft hatte, im Stich gelassen!
„Manuel? Was ist?“
„Ich bin quasi Zeuge und als … Hausherr … gewissermaßen trage ich die Verantwortung … Herrgott nochmal, ich kann nicht zulassen, dass auf meinem Grund und Boden unschuldige Menschen überfallen und geschlagen werden!“
Sie schloss die Augen, um seinem Blick nicht begegnen zu müssen, obwohl sie spürte, dass er nicht sie betrachtete, sondern an die Decke starrte und sich vermutlich zum Teufel wünschte.
„Fühlst du dich besser, wenn du dir die Schuld gibst?“
„Ich muss dich um Verzeihung bitten.“
Sie zuckte zusammen, erwiderte aber nichts, sondern drehte sich wortlos von ihm weg. Das Letzte, was sie jetzt erwartet hatte, war sein kühler Tonfall. Er erhob sich und sie hörte, wie er die im gesamten Raum verstreute Kleidung einsammelte.
„Es ist … es war unverantwortlich von mir. Ich weiß nicht, wie ich mein Benehmen entschuldigen soll.“
Er wappnete sich in Erwartung ihrer Vorwürfe oder Tränen. Doch sie sagte nichts mehr. Die Gründe, die er sich zurechtgelegt hatte, blieben ungenannt, als sie gar nicht erst versuchte, ihn zum Bleiben aufzufordern. Einen Augenblick lang empfand er einen Anflug von Enttäuschung. Dann redete er sich ein, es sei besser so für sie beide. Er musste ihr nicht von den fatalen Folgen des Unfalls erzählen oder erklären, weshalb er ihr nicht das Leben bieten konnte, das sie verdiente. Sie ist ein kluges Mädchen, dachte er, und hat von Anfang an gewusst, dass es keine Zukunft für uns geben wird.
„ Darum geht es dir also. Aber sei beruhigt, du musst dich nicht entschuldigen. Hattest du mich nicht sogar vor dir gewarnt? Du empfindest nicht anders für mich als für jede andere, die sich dir an den Hals wirft. Und nachdem ich eben ganz genau das getan habe, ist es wohl ebenso mein Verdienst, wenn wir hier gelandet sind. Ich wollte es. Jetzt weiß ich, wie dumm das von mir war.“
Augenscheinlich war er von ihrer Liebelei wenig beeindruckt, sonst würde er nicht dermaßen unbeteiligt in seine Hose steigen, ihrem Blick ausweichen und kein einziges Wort über Gefühle verlieren.
„Du warst nicht oft mit einem Mann zusammen?“, erkundigte er sich über die Schulter hinweg.
Sie erstarrte. Da war er wieder, ihr alter Feind, diese allzu vertraute Empfindung, in der Gegenwart eines selbstbewussten, gut aussehenden Menschen zu schrumpfen, bis sie beinahe verschwand.
„W -wie? Wie kommst du darauf?“
„Eine begründete Vermutung.“
Sie brannte vor Scham. Er hatte also ihre Unerfahrenheit bemerkt. Sie hatte aus seinen Reaktionen auf sie geschlossen, dass sie wenigstens dieses eine Mal etwas richtig gemacht hatte. Und – Überraschung! – wieder einmal hatte sie sich geirrt. Aber sie würde ihr mangelhaftes Liebesleben nicht mit diesem Mann erörtern.
„ Tut mir leid, Manuel.“
„Es tut dir leid?“, wiederholte er, Verwunderung in der Stimme, und drehte sich langsam zu ihr um. „Was meinst du damit? Was tut dir leid?“
„Wenn ich dich nicht zufriedengestellt habe.“
„Du denkst … Was, zur Hölle, redest du da?“ Manuel schleuderte sein Hemd zu Boden und war mit einem großen Schritt an ihrem Bett. Seine Augen sprühten Funken vor Zorn. Zitternd wich sie vor ihm zurück.
Was ihn noch mehr verärgerte und zwar so sehr, dass sie es ihm anhörte, als er vehement herausplatzte: „Ich weiß nicht, wie du das nennst, was wir eben miteinander geteilt haben, für mich allerdings … für mich war es … es war so ziemlich das Größte und Schönste und … und Atemberaubendste, was man erleben kann. Es war, als hätte man mir den Boden unter den
Weitere Kostenlose Bücher