Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
verfärbt haben würde. Und ihre Lippe war aufgeplatzt.
„Mein Gott, was … W er war das? Du bist verletzt!“
„Das ist nichts weiter , Manuel. Wirklich. Irgendein Verrückter, der mir Angst einjagen wollte. Níor tharla aon ní. Überhaupt nichts, wenn du bloß bei mir bist. Ich brauche dich.“
Wenngleich er den Bastard, der ihr das angetan hatte, am liebsten umgebracht hätte, zählte in diesem Moment nichts anderes, als dass Alicia lebte und es ihr gut ging. Sie hatte vor allem einen gewaltigen Schrecken bekommen und zitterte erbärmlich, nichtsdestotrotz war sie in Ordnung.
„Hast du ihn erkannt? Was wollte er von dir? Wir müssen Ronan Bescheid geben . Er wird diesen Kerl finden.“
„ Der ist längst über alle Berge. Komm mit.“
Jetzt, im Nachhinein, war sie erstaunt, wie klar sie im Augenblick der Gefahr hatte erkennen können, was ihr wirklich wichtig war – sie wollte leben! Und sie wollte seine Liebe. Tief in ihrem Inneren war sie davon überzeugt, dass Manuel sie retten würde. Nicht vor diesem Irren, das konnte sie sehr gut alleine, doch vor der emotionalen Einsamkeit, in die sie sich nach dem Tod ihrer Eltern geflüchtet hatte. Ihre Augen glühten vor Leidenschaft. Sie wollte nicht länger verbergen, wie sehr sie sich nach menschlicher Nähe sehnte.
„Bitte, Manuel. Liebe mich heute Nacht.“
Er rührte sich nicht vom Fleck. Ihr Ansinnen brachte ihn vollständig aus dem Konzept, bis er zu atmen vergaß und keuchte: „H-hier? Du denkst doch nicht etwa …“
„Du hast Recht, ich habe tatsächlich Schwierigkeiten zu denken.“
Sie musterte die Bank, um abzuschätzen, ob sie vom Haus aus zu sehen war. Es schien ihr äußerst gewagt, zugleich aber verführerisch, sich im Mondschein zu lieben.
„Wo immer du möchtest.“
Er stolperte einen Schritt zurück und starrte sie aus seinen großen Augen an. „Alicia, das … ich glaube … nicht.“
„ Was glaubst du nicht?“
„Du meinst das nicht ernst.“
Sie trat auf ihn zu und legte ihre Hände auf seine Brust. „Es ist mein voller Ernst. Und ich finde es interessant, dass dich das nervös macht.“
„Ich … ich bin nicht … ich bin überrascht.“
„Interessant“, wiederholte sie und ließ ihre Hände über seine sehnigen Oberarme gleiten. Seine Muskeln vibrierten unter ihrer Berührung.
„Ich kann nicht“, stieß er mit heiserer Stimme hervor. „Du bist durcheinander und aufgebracht vor Freude und Erleichterung, aber eigentlich …“
„Nein, Manuel. Ich weiß, was ich will. Ich brauche dich. Jetzt. Von mir aus können wir in mein Zimmer gehen.“
„Ich sollte nicht … nicht auf diese Weise. Ich habe nichts getan, wofür ich eine Belohnung verdient hätte.“
„Eine Belohnung “, echote sie verdutzt, als wäre ihr die Bedeutung dieses Wortes fremd, und riss die Augen auf.
„ Vielleicht habe ich mich nicht richtig ausgedrückt. Du glaubst womöglich, du müsstest dich für etwas dankbar erweisen“, erklärte er es ihr vorsichtig. „Ich habe nicht das Geringste getan, das so etwas rechtfertigen würde. Ich weiß nicht einmal, was da drüben passiert ist. Da war irgendein Verrückter, der dir was antun wollte. Der dich geschlagen hat. Und dann erwartest du … Du bist der Meinung, du müsstest dich bei mir bedanken. Bei mir? Ich …“
Ihre Lust war ihm Nu verflogen. „Du glaubst also, mich treibt Dankbarkeit? Ich verstehe“, erwiderte sie beschämt. „Offenbar nimmst du an, ich würde mich vor lauter Dankbarkeit mit jedem dahergelaufenen Kerl einlassen.“
„Natürlich nicht.“
Mit einer heftigen Handbewegung stieß sie ihn von sich, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass er das Gleichgewicht verlor, weil er in der Dunkelheit über Wurzelwerk stolperte, und Halt suchend die Hand nach ihr ausstreckte. Sie wollte keine Rücksicht nehmen! Und sie wollte nicht länger lieb und nett sein.
„Nimm die Finger von mir!“
„Warte! Alicia, ich …“
Noch ehe er sie bitten konnte , ihm beim Abstieg behilflich zu sein, hatte sie sich umgedreht und ihn stehen gelassen. Sie wollte ihm nicht die Genugtuung verschaffen zu erfahren, wie tief er sie verletzt hatte. Immer und immer wieder, gleichwohl konnte sie nicht von ihm lassen. Sie war froh, sich nicht vollends zur Närrin gemacht zu haben, indem sie ihm beinahe gestanden hatte, wie sehr sie ihn liebte.
Liebe! Großer Gott, er wusste doch gar nichts mit ihrer Liebe anzufangen!
Sie rannte zurück zum Haus, stürmte, ohne nach rechts oder links zu sehen,
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