Der Erdrutsch (German Edition)
Grundstück oberhalb der
Pension, das abgebrannt ist. Wenn das stimmt, was der Lechner sagt,
dann hat er seinen eigenen Wald angezündet.“ Johan dachte eine
Weile nach. „Das hätte schief gehen können. Stell dir mal vor,
hier wäre der gesamte Berg abgefackelt. Aber vermutlich ist der
selbst in der Ortsfeuerwehr und hat genau zum richtigen Zeitpunkt
Alarm geschlagen. Und der Lechner hat behauptet, die Zäune seien
nicht sicher?“ Johan starrte in die Dunkelheit, dorthin, wo in der
Entfernung der Erdrutsch hinunter gegangen war.
„ Ja,
dabei hat er uns doch erzählt, da könne nichts passieren.“ Luise
kniff die Augen zusammen: „Erinnerst du dich an den Abend, an dem
er sich so aufgeblasen hat? Genau in dem Moment, als dein Vater etwas
genauer nachgefragt hat, da hat ihn seine Frau in der Küche
gebraucht. Da ist doch was faul.“ Sie dachte nach.
„ Ich
glaube nicht, dass die Lechners irgendetwas zu verbergen haben“
erwiderte Johan. „Die hatten nur Angst, dass ihnen beim nächsten
Unwetter der ganze Hang über das Haus schwappt.“
Paul ging noch immer gedankenverloren neben ihnen her und schwieg.
Als Paul von seinem Vater gerufen wurde, trennten sie sich. Johan und
Luise gingen weiter den Weg entlang.
„ Erinnerst
du dich an den Augenblick vor dem Erdrutsch?“, wollte Johan wissen.
„Da war dieser Knall. Wie eine Explosion. Ich frage mich gerade, ob
das wirklich ein Unglück war oder ob die Lawine künstlich ausgelöst
worden ist.“ Er blieb stehen, um in der Dunkelheit den Hang zu
betrachten.
„ Ja,
ich habe da auch etwas gehört. Aber davon hat doch sonst niemand
gesprochen“, entgegnete Luise.
„ Vielleicht
sollte das Haus ja verschüttet werden. Wollten Lechners nicht heute
zur Polizei gehen und den Nachbarn anzeigen?“ Johan ließ die
Ereignisse noch einmal wie einen Film vor seinem geistigen Auge
ablaufen. „Und dann ist da ja noch ...“ Er dachte wieder an Pauls
Vater und sprach nicht weiter.
„ Was
meinst du?“, wollte Luise wissen.
„ Ist
schon gut. Ich hatte da nur so eine Idee, aber das ist Quatsch.“
„ Nun
sag schon!“
„ Naja,
Pauls Vater wäre ja eigentlich in der Pension geblieben.“
„ Meinst
du, er hat etwas damit zu tun?“
„ Er
ist so plötzlich weggerufen worden.“ Johan dachte weiter nach.
„Aber wenn es kein Unfall war, was war es dann? Wer kann Interesse
daran haben, dass sowas passiert?“
Wieder gingen sie schweigend nebeneinander her. Sie kamen nicht
weiter.
Luise wechselte das Thema: „Was machen wir denn nun eigentlich mit
der Kette? Meinst du, die hat irgendetwas mit der Geschichte zu
tun?“, fragte sie. Johan hatten sie die ganze Zeit über in der
Hosentasche mit sich herumgetragen. Er zog sie heraus und betrachtete
sie jetzt wieder im schwachen Licht.
Sie waren ohne es zu merken bei der Kirche angekommen und standen
etwas unschlüssig herum. Die Kirche hatte bei dem Erdrutsch keine
Schäden davongetragen.
„ Hast
du eine Taschenlampe dabei?“, fragte Luise.
„ Nein.
Die habe ich vergessen.“
Luise ging um die Kirche herum. Johan folgte ihr. Zwischen der Kirche
und dem Hang, an dem das Gebäude stand, war ein schmaler Durchgang,
in den sie nur hintereinander gehen konnten. Da nahm Johan eine
Bewegung wahr. Aus den Augenwinkeln sah er ein Licht aufleuchten. In
der Kirche. Sie standen an dem niedrigen Fenster. Er drehte den Kopf
zum Fenster und sagte:
„ Da
war was.“
„ Was
meinst du?“, fragte Luise.
„ Ein
Licht. Da ist es wieder.“ Durch das geriffelte und gefärbte Glas
konnten sie ein Licht aufblitzen sehen, das eine Weile leuchtete,
dann aber wieder verlosch.
„ Das
ist ein Feuerzeug. Da ist jemand in der Kirche und sucht etwas mit
einem Feuerzeug auf dem Fußboden“, vermutete Luise leise.
„ Der
sucht die Kette“, flüsterte Johan. „Aber er wird sie nicht
finden, denn die haben wir. Pass auf, wir bleiben jetzt hier stehen
und warten, bis er wieder raus kommt. Vielleicht können wir
erkennen, wer das ist.“
„ Gut.
Wenn der wirklich die Kette sucht, warum tut er das nicht bei
Tageslicht?“
„ Aus
dem gleichen Grund, weshalb er neulich nachts schon in der Kirche
war: Er hat irgendetwas zu verbergen.“
„ Wer
sagt eigentlich, dass es ein ´er´ ist? Es kann doch genauso gut
eine Frau sein“, sagte Luise.
Luise ließ sich die Kette von Johan aus der Hosentasche geben.
Sie versuchte den Verschluss zu öffnen. „Wem auch immer die Kette
gehört, am Hals hat er sie nicht getragen, der Verschluss
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