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Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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dir ja gesagt, Serret«, sagte der Fürst des Terrenon trocken zu seiner Frau, »daß er dir durch die Finger schlüpfen wird. Die Zauberer aus Gont sind gewitzte Narren. Und du bist auch eine Närrin, du Weib von Gont. Du wolltest ihn und mich in deine Schlinge ziehen, uns beide wolltest du durch deine Schönheit blenden und beherrschen und dann den Terrenon für deine eigenen Zwecke nutzen. Doch ich, ich bin noch immer Herr des Steines, und das ist die Strafe, die ich über dich ungetreues Eheweib verhänge: ›Ekavror oe Oelwantar …‹« Er begann den Verwandlungszauber und hatte die langen Hände erhoben, um die Frau, die angstvoll vor ihm kauerte, in irgendein Scheusal, ein Schwein oder einen Hund oder eine sabbernde alte Hexe zu verwandeln. Ged trat auf ihn zu und schlug die ausgestreckten Hände mit seinen Händen nieder. Er sprach ein kurzes Wort. Obwohl er keinen Stab besaß und auf fremdem, unheilvollem Boden stand, im Bereich einer finsteren Macht, siegte sein Wille. Benderesk rührte sich nicht. Seine umwölkten, haßerfüllten Augen blickten unverwandt auf Serret.
    »Kommen Sie, Sperber«, sagte diese mit bebender Stimme, »kommen Sie, schnell, bevor er nach den Dienern des Steines ruft.« Doch wie ein Echo auf ihre Worte eilte ein Wimmern durch den Turm, durch die Steine des Bodens, an den Wänden entlang, ein trockenes, zitterndes Gemurmel, als ob die Erde selbst spräche.
    Serret ergriff Geds Hand und rannte mit ihm durch die Gänge und Säle, die lange Wendeltreppe hinunter, hinaus in den Burghof. Letztes silbernes Tageslicht verflüchtigte sich über dem schmutzigen, zertretenen Schnee. Drei finster blickende Bedienstete des Schlosses verstellten ihnen den Weg, als ob sie die beiden eines Anschlags auf ihren Herrn verdächtigten. »Es wird dunkel, Fürstin«, sagte der eine, und der andere fügte hinzu: »Sie können nicht mehr ausreiten.«
    »Geht mir aus dem Weg, Gesindel!« schrie Serret in der an Zischlauten reichen osskilischen Sprache. Die Männer wichen zurück und duckten sich, und sich zusammenkrümmend fielen sie zu Boden; der eine schrie laut auf.
    »Wir müssen durch das Tor, einen anderen Weg gibt es nicht. Können Sie es erkennen, Sperber? Können Sie es finden?«
    Sie zupfte Ged am Ärmel, faßte ihn an der Hand und zog ihn mit sich, doch er zögerte: »Mit welchem Bann haben Sie die Männer geschlagen?«
    »Ich ließ heißes Blei in ihr Knochenmark rinnen, sie werden daran sterben. Beeilen Sie sich, ich sagte Ihnen doch, er wird die Diener des Steines auf uns loslassen, und ich kann das Tor nicht erkennen … darauf liegt nämlich ein starker Zauberbann. Schnell!«
    Ged wußte nicht, was sie meinte, denn das verzauberte Tor lag so klar wie der Torbogen des Hofes, hinter dem es sich befand, vor seinen Augen. Er führte Serret durch den ersten Torbogen, dann über den unberührten Schnee des Vorhofes ans Tor, dort sprach er ein Zauberwort des Öffnens und führte sie durch das Tor, das in die Zauberwälle eingelassen war.
    Serret verwandelte sich, als sie durch das Tor eilten und das silberne Dämmerlicht des Hofes von Terrenon hinter sich ließen. Sie war nicht weniger schön im trüben Abendlicht, das über dem Moor lag, doch etwas Wildes, Hexenhaftes hatte sich jetzt ihren Zügen beigemischt. Endlich erkannte Ged das Mädchen. Es war die Tochter des Fürsten von Re Albi und der Zauberin von Osskil, die damals – es schien ihm schon ewig lange her zu sein – auf der grünen Wiese oberhalb Ogions Haus über ihn gespottet und ihn veranlaßt hatte, den Zauberspruch zu lesen, der den Schatten freisetzte. Aber er verweilte nicht lange bei diesen Gedanken, sondern schaute wachsam und mit angespannten Sinnen umher. Er suchte die Bedrohung, die irgendwo außerhalb der magischen Wälle auf ihn wartete. Vielleicht hatte sie sich in die immer düster werdenden Schatten verzogen und wartete auf den Augenblick, da sie ihre Formlosigkeit mit Geds Leben vertauschen konnte. Ged spürte die feindliche Nähe, doch sehen konnte er sie nicht. Aber als er die Blicke umherschweifen ließ, sah er ein kleines dunkles Ding halb verdeckt vom Schnee, ein paar Schritte vom Tor entfernt liegen. Es war der Otak, dessen feines kurzhaariges Fell mit Blut besudelt war und dessen leichter kleiner Körper steif und kalt in seinen Händen lag.
    »Verwandeln Sie sich! Verwandeln Sie sich, sie kommen!« schrie Serret, und nach seinem Arm greifend, deutete sie auf den Turm, der sich wie ein großer weißer Zahn in

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