Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer
Die Handwerker setzten ihren Stolz nicht mehr darein, gute, solide Arbeit zu liefern, selbst die Diebe stahlen nur, weil sie nichts anderes tun konnten. Dem Umtrieb, der Geschäftigkeit, der Buntheit dieser großen Hafenstadt fehlte die feste Basis, darunter war es hohl. Und an den Ecken saßen die Haziasüchtigen, unbeweglich, leblos. Das ganze Leben in Hort hatte etwas Unwirkliches, Krankhaftes an sich, die Gesichter, die Geräusche, die Düfte erschienen und verschwanden so plötzlich, wie sie gekommen waren.
Sperber und Arren wanderten an diesem heißen, langen Nachmittag durch die Straßen und unterhielten sich mit diesem und jenem und es kam vor, daß die buntgestreiften Markisen, das schmutzige Pflaster, die bemalten Wände, alles Farbige plötzlich verschwanden, und nichts blieb zurück, nur eine Geisterstadt, die leer und verschlafen im grellen Sonnenlicht lag.
Nur hoch oben über der Stadt, wo sie sich eine Weile am Spätnachmittag ausruhten, ließ dieses krankhafte, spukhafte Wesen nach. »Das ist keine Stadt, die Glück verheißt!« hatte Sperber vor einigen Stunden gesagt und jetzt, nachdem sie stundenlang ziellos herumgelaufen waren und viele ergebnislose Unterhaltungen mit Fremden geführt hatten, blickte er müde und düster vor sich hin. Seine Verwandlung war nicht mehr so vollkommen wie am Morgen. Etwas Dunkles, Hartes lag hinter den gutmütigen Zügen des seefahrenden Handelsherrn Falk. Arren hatte die Verstimmung, die ihn am Morgen überkommen hatte, noch nicht überwunden. Sie saßen auf dem spärlichen Gras hoch am Hügel, beschattet von den dunklen Blättern einer Gruppe von Pendickbäumen, die mit roten Knospen übersät waren, von denen einige schon zur Blüte aufgebrochen waren. Von hier oben sahen sie nur die Ziegeldächer der Stadt, die sich vielfältig und zahlreich gegen die See hin staffelten. Die Arme der Bucht, schieferblau im hellen Dunst des Frühlingshimmels, waren weit geöffnet und streckten sich bis an den Rand der Luft. Keine festen Grenzen, keine deutlichen Linien waren sichtbar. Sie saßen und blickten hinaus auf die unendliche blaue Weite. Arren atmete tief aus, eine Last fiel ihm vom Herzen. Er blickte um sich und fühlte sich wieder eins mit der Welt.
Als sie Wasser einer Quelle tranken, die in einem der fürstlichen Gärten hinter ihnen entsprang und klar und munter über braune Steine davoneilte, nahm Arren einen tiefen Schluck und tunkte dann den ganzen Kopf in das kalte Wasser. Dann stand er auf und deklamierte laut aus den Taten von Morred:
Preis sei den Brunnen von Scheließ,
den silbernen Harfen des Wassers,
Doch ich segne von Herzen den Fluß hier,
der den Durst meiner Kehle gestillt hat.
Sperber lachte ihm zu und auch er mußte lachen und schüttelte den Kopf wie ein Hund, so daß die Tropfen ihn umsprühten und hinaus ins letzte, goldene Sonnenlicht flogen.
Sie mußten die Baumgruppe verlassen und wieder hinunter in die Stadt gehen, und als sie an einer Bude gebratene, von Fett triefende Fische gegessen hatten, senkte sich die Dunkelheit schwer und dicht auf die Stadt. Es wurde schnell dunkel in den engen Gassen. »Komm, wir gehen, Junge!« sagte Sperber, und Arren fragte: »Zum Boot?«, doch er wußte, daß sie nicht zum Boot, sondern zu dem Haus am Fluß, in das leere, schmutzige, schreckliche Zimmer gehen würden.
Hase wartete im Hauseingang auf sie.
Er zündete eine Ölfunzel an und leuchtete ihnen voran auf der schwarzen Treppe. Die kleine Flamme zitterte unaufhörlich in seiner Hand und warf riesige, huschende Schatten gegen die Wand.
Er hatte einen zweiten Strohsack für seine Besucher besorgt, doch Arren zog den nackten Boden nahe der Tür vor. Die Tür öffnete sich nach außen, und um sie zu bewachen, hätte er eigentlich draußen sitzen müssen, doch der finstere, schwarze Gang war mehr, als er ertragen konnte, und außerdem wollte er Hase im Auge behalten. Sperbers Aufmerksamkeit, und vielleicht auch seine Macht, waren auf Hase gerichtet und darauf, was der ihm zu sagen und zu zeigen hatte. Es blieb Arren überlassen, wach zu sein und aufzupassen.
Hase sah besser aus als am Morgen. Er saß aufrecht und hatte seinen Mund und seine Zähne gereinigt. Er sprach zunächst auch ganz vernünftig, war aber ziemlich aufgeregt. Im Licht der Lampe waren seine Augen so dunkel wie die eines Tieres: das Weiße war nicht zu sehen. Er sprach eindringlich auf Sperber ein und versuchte diesen zum Genuß von Hazia zu überreden. »Ich will dich mitnehmen,
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