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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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und ein anderer fügte hinzu: »Oder auf den Markt nach Amrun.« Doch der Mann mit dem Halsband, dem nichts auf dem Schiff zu entgehen schien, zischte: »Ruhe, kein Wort, oder ich werfe euch den Haifischen als Futter vor«, und alle schwiegen.
    Arren versuchte sich diese Orte, Schoul und Amrun, vorzustellen. Dort wurden Sklaven verkauft. Sie wurden den Käufern vorgeführt wie Ochsen oder Schafböcke auf dem Markt von Berila. Er würde dort in Ketten stehen. Irgend jemand würde ihn kaufen und nach Hause führen und ihm einen Befehl erteilen, und er würde den Gehorsam verweigern. Oder er würde gehorchen und versuchen zu entfliehen. So oder so, er würde getötet werden. Es war keine Empörung, die bei dem Gedanken an Sklaverei in seinem Herzen aufwallte, dazu fühlte er sich viel zu elend und war zu verwirrt. Er wußte ganz einfach, daß er es nicht tun konnte, daß er innerhalb einer oder zwei Wochen sterben oder getötet werden würde. Obgleich er dies voraussah und als Tatsache hinnahm, erschütterte ihn der Gedanke, und er versuchte, nicht weiter an die bevorstehenden Tage zu denken. Er starrte auf die faulenden, schwarzen Planken des Laderaums zwischen seinen Füßen. Die Sonne brannte auf seine nackten Schultern, und er fühlte, wie der Durst seinen Mund austrocknete und seine Kehle zuschnürte.
    Die Sonne ging unter. Die Nacht war klar und kalt. Die Sterne hoben sich scharf vom dunklen Himmel ab. Die Trommel schlug langsam, gleichmäßig wie ein Herzschlag. Das Rudern wurde nicht unterbrochen, denn es regte sich kein Wind. Die Kälte wurde unerträglich. Arren bekam ein wenig Wärme von den hochgezogenen Beinen des Mannes hinter ihm und an seiner linken Seite von dem Stummen, der zusammengekauert saß und ununterbrochen einen einzigen Ton vor sich hinsummte. Die Ruderer lösten sich ab, die Trommel fing wieder von neuem an. Arren hatte auf die Dunkelheit gewartet, doch jetzt konnte er nicht schlafen. Seine Muskeln schmerzten ihn, und er konnte seine Stellung nicht ändern. Er saß und zitterte vor Kälte. Mit wunden Gliedern und ausgetrockneter Kehle starrte er hinauf zu den Sternen, die sich bei jedem Ruderschlag heftig bewegten, dann wieder an ihren gewohnten Platz zurückrutschten, still standen, sich dann wieder bewegten, zurückrutschten, still standen …
    Der Mann mit dem Halsband und ein anderer Mann standen zwischen dem hinteren Laderaum und dem Mast. Die kleine, pendelnde Laterne am Mast warf einen schwachen Schein und zeichnete die Umrisse ihrer Köpfe und Schultern ab. »Nebel, verfluchtes Schwein«, erklang die schwache, haßerfüllte Stimme des Mannes mit dem Halsband. »Was hat ein Nebel zu dieser Jahreszeit in den südlichen Gewässern zu suchen? Verflucht!«
    Die Trommel dröhnte weiter. Die Sterne bewegten sich, rutschten zurück, standen still. Der Mann ohne Zunge, der neben Arren saß, schauderte plötzlich zusammen, hob den Kopf und stieß einen durchdringenden Angstschrei aus, einen furchtbaren, formlosen, unmenschlichen Schrei. »Ruhe!« brüllte der andere Mann am Mast. Der Stumme schauderte wieder zusammen und setzte sein eintöniges Summen und die unaufhörlich kauende Bewegung seines Unterkiefers fort.
    Die Sterne glitten verstohlen vorwärts und verschwanden im Nichts.
    Der Mast schwankte und verschwand. Eine feuchtkalte graue Decke schien sich auf Arrens Schultern zu legen. Die Trommel stockte kurz und fuhr dann in langsamerem Rhythmus fort.
    »Wie Sauermilch so dick!« zischelte die heisere Stimme irgendwo über Arren. »Rudert! Es gibt keine Untiefen im Umkreis von zwanzig Meilen!« Ein horniger, vernarbter Fuß tauchte aus dem Nebel auf, hielt kurz vor Arrens Gesicht an und verschwand mit dem nächsten Schritt.
    Der Nebel löschte jede Empfindung des Vorwärtsbewegens aus, nur das Ziehen der Ruder war zu spüren. Der Schlag der Trommel klang dumpf und erstickt. Die feuchte Kälte drang bis auf die Knochen. Der Nebel schlug sich in den Haaren nieder, und Arren versuchte, die Tropfen mit seiner Zunge aufzufangen, um seinen Durst zu stillen, doch seine Zähne klapperten zu stark. Das kalte Metall einer Kette schlug gegen seinen Schenkel und brannte wie Feuer auf der Haut. Die Trommel schlug, und schlug – und verstummte.
    Es war totenstill.
    »Schlag weiter! Was ist los?« zischte die heisere, pfeifende Stimme aus dem Bug des Schiffes. Alles blieb still.
    Das Schiff rollte ein wenig auf dem stillen Wasser. Hinter der kaum sichtbaren Reling lag nichts, nur Leere. Irgend etwas

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