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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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nicht.«
    Arren war erregt, und obgleich Sperbers Stimme ruhig klang, so lag doch ein warnender Unterton darin. Er war nicht gewohnt, zur Rede gestellt zu werden. Doch seit Arren am Spätnachmittag versucht hatte, ihn vor dem Irren auf der Straße zu schützen und gemerkt hatte, als wie überflüssig sich sein Schutz erwiesen hatte, fühlte er eine Bitternis in sich, und das überwältigende Gefühl der Zuneigung, das ihn am Morgen überkommen hatte, war verschwunden und ausgelöscht. Es war nicht seine Aufgabe, Sperber zu schützen, er durfte keine Entscheidung fällen, ja er wußte oder verstand nicht einmal, wonach sie nun eigentlich suchten. Er wurde nur mitgeschleppt, er war so unnütz wie ein Kind. Aber er war kein Kind mehr.
    »Ich möchte mich nicht mit Ihnen streiten«, sagte er, so kalt er es vermochte. »Doch das hier – das übersteigt jede Vernunft.«
    »Es übersteigt jede Vernunft. Wir gehen dorthin, wo uns die Vernunft nicht weiterhilft. Kommst du oder kommst du nicht?«
    Tränen des Zorns traten in Arrens Augen. »Ich habe gesagt, daß ich mitkommen und Ihnen dienen werde. Ich bin nicht wortbrüchig.«
    »Dann ist es gut«, sagte der Magier und wandte sich schroff ab; doch dann schien er sich zu besinnen und drehte sich Arren zu: »Ich brauche dich, Arren, und du brauchst mich. Jetzt will ich es dir sagen: Du folgst unserem gemeinsamen Weg nicht aus Gehorsam und Ergebenheit mir gegenüber, sondern weil er dir vorbestimmt war, noch ehe du mich gesehen, ehe du deinen Fuß auf Rok gesetzt und ehe du Enlad verlassen hast. Du kannst nicht umkehren.«
    Seine Stimme war nicht weicher geworden. Arren antwortete im gleichen kalten Ton: »Wie könnte ich denn umkehren? Ohne Boot, hier am Rande der Welt?«
    »Das hier der Rand der Welt? Nein, der liegt weiter draußen. Viel weiter. Wir kommen vielleicht noch dorthin.«
    Arren nickte kurz und sprang ins Boot. Sperber löste das Seil und sprach einen leichten Wind in das Segel. Als sie die finster aufragenden, leeren Docks von Lorbanery hinter sich hatten, blies eine frische Brise aus dem dunklen Norden, kühl und rein, und der Mond goß sein silbernes Licht über das glatte Wasser. Kühl und gemächlich zog er links von ihnen seine Bahn, als sie die Küste der Insel in südlicher Richtung umsegelten.

Der Irre
    DER IRRE, der einstige Färber von Lorbanery, kauerte beim Mast, hielt seine Knie mit den Armen umschlungen und den Kopf gesenkt. Sein struppiger Haarschopf wirkte schwarz im Licht des Mondes. Sperber hatte sich in eine Decke gewickelt und schlief im Heck des Bootes. Keiner von beiden rührte sich. Arren saß aufrecht im Bug. Er hatte sich geschworen, die ganze Nacht wachzubleiben und aufzupassen. Wenn der Magier annahm, ihr wahnsinniger Begleiter würde weder ihn noch Arren in der Nacht anfallen, so war das seine Sache; er, Arren, traf seine eigenen Entschlüsse, er hatte seinen eigenen Pflichten nachzukommen.
    Doch die Nacht war lang und ruhig. Das Licht des Mondes ruhte still auf dem Wasser. Sopli, am Mast kauernd, schnarchte gedehnt und leise vor sich hin. Das Boot glitt ruhig über die glatte Fläche, und der Schlaf überkam Arren, ohne daß er es merkte. Er schreckte kurz auf und sah, daß der Mond kaum gewandert war; er gab seine trotzige Wache auf, richtete sich ein bequemes Lager her und legte sich zum Schlaf nieder.
    Wieder träumte er, so als sei es ihm auf dieser Reise bereits zur Gewohnheit geworden, und zunächst waren die Träume unzusammenhängend, doch auf seltsame Weise erfreulich und beglückend. Dort, wo der Weitblick Mast stand, wuchs jetzt ein Baum mit weiten, überhängenden, dichtbelaubten Zweigen; Schwäne, die sich mit mächtigen Schwingen vor ihnen niederließen, leiteten das Boot; weit vor ihnen, über der beryllfarbenen See, schimmerten die weißen Türme einer Stadt – jetzt befand er sich in einem dieser Türme und eilte leichtfüßig eine Wendeltreppe hinauf. Diese Bilder verwoben sich und flossen ineinander, kamen, gingen und schoben sich zwischen andere Träume, die keine Spuren hinterließen; doch plötzlich befand er sich wieder im schrecklichen, düsteren Dämmerlicht auf dem Moor, und die Furcht in ihm wuchs und wurde immer mächtiger, bis er nicht mehr atmen konnte. Und doch lief er immer weiter, wie getrieben. Später, viel später erst merkte er, daß er im Kreis gerannt war, daß er stets auf die eigene Spur stieß. Aber etwas in ihm zwang ihn voran, einen Ausweg zu finden. Und diese Aufgabe wurde immer

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