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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Arren, die hörte ich nicht, denn ich will sie nicht hören. Ich bin taub. Ich bin blind. Du bist mein Führer. Und du, in deiner Unschuld, in deiner Un-Weisheit, in deiner Treue, du bist mein Führer, mein mutiger Führer – du bist das Kind, das ich vor mir her in die Dunkelheit sende. Deiner Furcht, deinem Schmerz, dem folge ich. Du dachtest, ich sei hart zu dir, Arren: du hast nicht geahnt, wie hart! Deine Liebe, Arren, ich gebrauche sie wie eine Kerze, eine brennende und sich selbst verzehrende Kerze, die mir zeigt, wo ich hingehen muß. Und wir müssen weitergehen. Wir müssen weitergehen. Wir müssen bis ans Ende gehen. Wir müssen dorthin, an den Ort, wo die Seele leer und trocken und die Freude verschwunden ist. Und vor dem Ort faßt dich als Sterblichen ein Grauen, und er zieht dich doch an.«
    »Wo ist er?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich kann Sie nicht dorthin führen, aber ich werde mit Ihnen gehen.«
    Der dunkle, unergründliche Blick des Magiers ruhte auf ihm.
    »Doch wenn ich wieder versage und Sie preisgeben sollte …«
    »Ich vertraue dir, Morreds Sohn.«
    Beide schwiegen.
    Über ihnen, vor dem blauen, südlichen Himmel, bewegten sich die hohen geschnitzten Idole leicht hin und her: teils Delphine, teils Seevögel mit menschlichen Gesichtern und starren Augen aus Muscheln.
    Sperber stand unter Anstrengung auf, denn er war noch lange nicht genesen von seiner Wunde. »Ich habe das Herumsitzen satt«, sagte er. »Ich werde faul und fett.« Er ging auf dem Floß auf und ab, und Arren gesellte sich ihm bei. Sie unterhielten sich, während sie gingen. Arren erzählte ihm, was er die Tage über getan hatte und wer seine Freunde unter dem Floßvolk waren. Sperbers Ruhelosigkeit war größer als seine Stärke, die ihn bald verließ. Er blieb bei einem Mädchen stehen, die hinter dem Tempel Niglu auf ihrem Webrahmen wob, und bat sie, den Häuptling zu ihm zu rufen; dann ging er zurück in seine Hütte. Der Häuptling des Floßvolkes erschien bald und grüßte ihn höflich. Der Magier erwiderte seinen höflichen Gruß, und alle ließen sich auf dem gefleckten Seehundfell in der Hütte nieder.
    »Ich habe mir das«, sagte der Häuptling mit würdevoller und ernster Stimme, »was Sie mir gesagt haben, durch den Kopf gehen lassen. Wie die Menschen in ihren eigenen Körpern vom Tod zurückkehren wollen, wie sie darüber die Verehrung ihrer Götter und ihre eigene Gesundheit vernachlässigen und den Verstand verlieren. Das ist ein großes Übel und sehr schlimm. Aber ich habe weiter überlegt: Was hat das mit uns zu tun? Wir haben nichts mit anderen Menschen, ihren Inseln und ihren Gebräuchen, mit ihren Taten und Untaten zu tun. Wir leben auf der See, und unser Leben gehört der See. Wir hoffen nicht darauf, es immer behalten zu können, aber wir wollen es voll leben und nicht aufgeben. Bei uns gibt es keinen Wahnsinn. Wir kommen nie an Land, und die Landbewohner kommen nicht zu uns. Als ich jung war, redeten wir manchmal mit Menschen, die zur Langen Düne kamen, während wir dort Bäume fällten und unsere Winterunterkünfte zimmerten. Oft sahen wir Segel von Ohol und Welwai (so nannte er Obehol und Wellogy), die den grauen Walfischen im Herbst folgen. Oft folgten sie auch unseren Flößen, denn sie wußten sehr wohl, daß wir die Gründe kennen, wo sich die Großen des Meeres treffen. Doch das ist alles schon lange her, und mehr wissen wir nicht von den Landmenschen. Jetzt sehen wir sie nie mehr. Vielleicht sind sie alle wahnsinnig geworden und haben sich gegenseitig umgebracht. Vor zwei Jahren, als wir uns auf der Langen Düne aufhielten, sahen wir nördlich, gen Welwai zu, Rauch aufsteigen, der von einem großen Brand herrühren mußte. Doch was hat das mit uns zu schaffen? Wir sind die Kinder der Hohen See! Wir bleiben der See treu!«
    »Doch als ihr gesehen habt, wie das Boot eines Landmenschen auf dem Wasser trieb, seid ihr zu Hilfe gekommen«, sagte der Magier.
    »Einige unter uns meinten, daß es nicht klug sei, das zu tun. Sie hätten das Boot bis ans Ende des Meeres treiben lassen«, antwortete der Häuptling mit seiner hohen Stimme, die ziemlich gleichgültig klang.
    »Sie gehörten nicht dazu?«
    »Nein. Ich sagte, wir werden ihnen helfen, obwohl es Landmenschen sind. Doch mit Ihren Unternehmungen wollen wir nichts zu tun haben. Wenn Wahnsinn unter den Landmenschen ausgebrochen ist, dann sollen sie auch selbst damit fertig werden. Wir folgen den Großen. Wir können Ihnen bei Ihrer Suche nicht

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