Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu
einzigen Fensters eine große, knochige junge Frau, die sie mit weit aufgerissenem Mund anstarrte. Ihre Hände waren blutig und schlammig, und ihr feuchter Kittel roch nach Brackwasser. Als sie merkte, daß die Männer sie betrachteten, versuchte sie, das Gesicht mit dem Rock zu verbergen, und entblößte dabei die Beine bis zum Schenkel.
Sie wandten den Blick von ihr und dem Kind ab, und die einzige, die sie ansehen konnten, war die Frau mit den toten Fröschen.
»Mistress Goha«, wiederholte einer von ihnen.
»So heiße ich«, antwortete sie.
»Wir kommen aus Havnor, vom König«, begann die höfliche Stimme. Sie konnte gegen das Licht sein Gesicht nicht deutlich erkennen. »Wir suchen den Obersten Magier, Sperber, aus Gont. König Lebannen soll zu Beginn des Herbstes gekrönt werden, und er erbittet vom Obersten Magier, seinem Herrn und Freund, bei ihm zu weilen, um ihn auf die Krönung vorzubereiten und ihn zu krönen, wenn er dazu willens ist.«
Der Mann sprach ruhig und förmlich, als wäre sie eine edle Dame in einem Palast. Er trug eine dunkle Reithose aus Leder und ein Leinenhemd, das vom Aufstieg nach Re Albi staubig war, aber der Stoff war fein, und das Hemd war am Hals goldbestickt.
»Er ist nicht hier«, antwortete Tenar.
Zwei kleine Jungen aus dem Dorf schauten zur Tür herein, zogen sich zurück, guckten wieder und flüchteten unter lautem Geschrei.
»Vielleicht könnt Ihr uns mitteilen, Mistress Goha, wo er sich befindet«, sagte der Mann.
»Das kann ich nicht.«
Sie sah einen nach dem anderen an. Die Angst, die sie zunächst vor ihnen empfunden hatte – vielleicht war Sperbers Panik ansteckend gewesen, oder sie war unsinnigerweise beim Anblick der Fremden aus der Fassung geraten –, legte sich. Sie stand in Ogions Haus; und sie wußte genau, warum Ogion nie Angst vor hohen Herren gehabt hatte.
»Ihr müßt nach dem langen Weg müde sein«, stellte sie fest. »Wollt Ihr Platz nehmen? Ich habe Wein. Einen Augenblick, ich muß die Gläser spülen.«
Sie trug das Hackbrett zur Anrichte, brachte die Froschschenkel in die Speisekammer, kratzte den Rest in den Spülicht-Eimer, den Heide zu Fans Schweinen tragen würde, wusch Arme, Hände und das Messer an der Spüle, schüttete frisches Wasser hinein und spülte die beiden Gläser, aus denen sie und Sperber getrunken hatten. Im Schrank standen noch ein Glas und zwei Tontassen ohne Henkel. Sie stellte alles auf den Tisch und schenkte den Besuchern Wein ein; in der Flasche war gerade noch genug für alle. Sie hatten Blicke gewechselt und sich nicht gesetzt. Das war zu entschuldigen, denn es gab nicht genügend Stühle. Doch nach den Gesetzen der Gastfreundschaft mußten sie annehmen, was sie ihnen anbot. Jeder Mann griff mit höflichem Gemurmel nach einem Glas oder einer Schale. Sie hoben die Gefäße und tranken ihr zu.
»Auf mein Wort!« sagte einer von ihnen.
»Andrades – die Spätlese«, meinte ein anderer mit großen Augen.
Ein dritter schüttelte den Kopf. »Andrades – das Drachenjahr«, stellte er feierlich fest.
Der vierte nickte und trank wieder sehr ehrfürchtig.
Der fünfte, der als erster gesprochen hatte, hob Tenar wieder seine Tontasse entgegen und sagte: »Ihr ehrt uns mit einem königlichen Wein, Mistress.«
»Er gehörte Ogion«, antwortete sie. »Dies war Ogions Haus. Es ist Aihals Haus. Ihr wußtet das, Mylords?«
»Ja, Mistress. Der König sandte uns zu diesem Haus, weil er annahm, daß der Oberste Magier herkommen werde; und als in Rok und Havnor der Tod seines Meisters bekannt wurde, war der König seiner Sache noch sicherer. Aber es war ein Drache, der den Obersten Magier von Rok forttrug. Seither sind kein Bote und keine Nachricht von ihm nach Rok oder zum König gelangt. Es liegt dem König sehr am Herzen, und wir alle wüßten gern, ob sich der Oberste Magier hier aufhält und bei guter Gesundheit ist. Kam er hierher, Mistress?«
»Das kann ich nicht sagen«, antwortete sie, aber es war eine billige Zweideutigkeit, die sie wiederholte, und die Männer waren ebenfalls dieser Ansicht. Sie stand hinter dem Tisch und richtete sich auf. »Ich meine damit, daß ich es nicht sagen will. Wenn der Oberste Magier zu kommen wünscht, so wird er kommen. Wenn er wünscht, nicht gefunden zu werden, so werdet Ihr ihn nicht finden. Ihr werdet ihn sicherlich nicht gegen seinen Willen ausfindig machen.«
Der älteste und größte der Männer erklärte: »Des Königs Wille ist der unsere.«
Der erste Sprecher meinte
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