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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Sandschneider
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westlichen Staaten nach wie vor oben auf der Agenda politischer Dringlichkeit. Das hat in Anbetracht der konkreten Angriffe und Bedrohungen der letzten Jahre auch seine Berechtigung. Der Krieg gegen den Terror begann in Afghanistan. Bis heute ist das Land sein zentraler Schauplatz. Er war zunächst ein Rachefeldzug für die Anschläge vom 11. September 2001 und als Warnung gedacht für die Regierungen, die Terroristen Rückzugsgebiete und Schutz bieten. Erst im zweiten Schritt ging es um die Einführung von Demokratie, von der man gehofft hatte, dass sie das historisch seit jeher chronisch instabile Land modernisieren und stabilisieren würde. Als auch dieses Ziel offensichtlich nicht erreichbar war, ging es in politischen Stellungnahmen plötzlich nur noch um die Stabilisierung Afghanistans, wobei schon die Ausbildung von einigen Hundert Polizeikräften als wesentlicher Stabilisierungsbeitrag schöngeredet werden musste. 39 Gemessen an den ursprünglichen Zielen ist die Bilanz eindeutig: Der Rachefeldzug gegen die Taliban ist mit ihrer ursprünglichen Vertreibung von der Macht gelungen, aber alle anderen Zielsetzungen konnten bis heute nicht einmal in Ansätzen erreicht werden. Entsprechend wächst die Kluft zwischen dem internationalen Stabilisierungseinsatz und seiner Akzeptanz in den Bevölkerungen der beteiligten Nationen ständig. Afghanistan ist zum Prüfstein für die Interventionsfähigkeit des Westens, vor allem aber für die Leistungsfähigkeit der NATO geworden. Und es ist ein klassischer Fall für angewandte Gebetsmühlenpolitik. Da Demokratien nun mal auf Dauer für militärische Einsätze die Unterstützung von Parlamenten und Öffentlichkeit brauchen, ist schwierige »Überzeugungsarbeit« angesagt. Denn trotz aller Bekundungen des Gegenteils bleibt die Bilanz politischer, ökonomischer und vor allem militärischer Anstrengungen zur Stabilisierung Afghanistans mehr als ernüchternd.
    Halten wir also für einen Augenblick die Gebetsmühle an. Dann kann man eigentlich nur sachlich feststellen: Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen – den Krieg gegen den Terror hat der Westen verloren.
    Der Grund ist einfach: Solche Kriege lassen sich nicht gewinnen. Man kann Kriege gegen klar definierbare Gegner,nicht aber gegen asymmetrische Angriffstechniken gewinnen. Wir haben ja auch keine Kriege gegen Kalaschnikows oder Mittelstreckenraketen geführt. Das haben wir wohl allzu leichtfertig übersehen: Internationale Terroristen – gleich ob wir ihre Namen kennen oder nicht – taugen weder als dauerhafte Feindbilder, noch bieten sie ein ernst zu nehmendes Gegenmodell zu unseren Werte- und Gesellschaftsmodellen, an denen man sich abarbeiten könnte. Ihr Ziel heißt nur Angst und Zerstörung.
    Aber auch das zweite Standbein der westlichen Philosophie, der Versuch, im Dialog zur Lösung von Konflikten zu kommen, scheitert mit Terroristen, die bereit sind, ihren eigenen Tod in Kauf zu nehmen, um durch die Traumatisierung westlicher Gesellschaften ihre politischen Ziele zu erreichen. Entspannung setzt rational handelnde, berechenbare und im Idealfall auch vertrauenswürdige Akteure voraus. Terror setzt auf Emotionen und kann insofern auch weitgehend auf die Entwicklung alternativer Gegenmodelle zur westlichen Konzeption von Demokratie und Marktwirtschaft verzichten. Terror ist eine Technik, die zerstört, ohne Alternativen anzubieten.
    In diesem Sinne ist Terror zwar eine Technik der asymmetrischen Bedrohung und Vernichtung. Aber nur das Ausmaß der von ihnen angerichteten Schäden unterscheidet Terroristen von gewöhnlichen Kriminellen. An den Erfolg einer Politik, die darauf setzt, Terroristen dort zu bekämpfen, wo sie ausgebildet werden und Zuflucht suchen, kann nur jemand glauben, der auch den Glauben nicht verloren hat, dass Sisyphos nicht nur glücklich, sondern auch noch erfolgreich war.
    Dass nicht alles Gold ist, was glänzt in der immer wieder beschworenen Bilanz der Erfolge des Westens, wird ein Jahrzehnt nach dem Beginn des Krieges immer deutlicher. Mittlerweile scheint sich diese Einsicht allmählich durchzusetzen, aber Politik und Medien schrecken vor klaren Worten und den notwendigen Konsequenzen zurück. Es stellt sich geradezu Milde ein in den Kommentaren über den Stand der internationalen Bemühungen um die Bekämpfung des Terrorismus. Michael Stürmer, einer, der dafür bekannt ist,durchaus klar und provozierend zu formulieren, möchte am liebsten ganz schnell umblättern im Buch der Geschichte,

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