Der erfolgreiche Abstieg Europas
Leistungsfähigkeit die Kraft zur
Diffusion entwickeln, die ihnen auch in anderen Teilen der Welt zum Durchbruch verhelfen. Das war eigentlich immer so in der Weltgeschichte. Die
Europäer müssen es erst wieder lernen.
Die Thesen im Überblick:
Die technologischen Möglichkeiten der schnellen Verbreitung immer größerer Informationsmengen haben nicht automatisch zu einer Verbesserung politischer Kommunikation und Handlungsfähigkeit geführt.
Gebetsmühlenhafte Wiederholungen von Positionen, die sich in der Vergangenheit bewährt und bis heute als politisch korrekt durchgesetzt haben, führen zu Lebenslügen westlicher Politik, die sich zunehmend als Risikofaktor für angemessene Reaktionen auf globale Herausforderungen erweisen.
Den Krieg gegen den Terror hat der Westen verloren. Versuche, die militärischen Abenteuer im Irak und Afghanistan schönzureden, sind politisch verständlich, entbehren aber jeder Grundlage – zumindest wenn man minimale Standards von Redlichkeit anlegt.
Transatlantischer Selbstbetrug dominiert außenpolitische Grundsatzdebatten – vor allem in Deutschland, aber auch generell in Europa. Die Vereinigten Staaten haben längst eine andere globale Perspektive entwickelt. In der spielt Europa nur noch dann eine wesentliche Rolle, wenn es sich an Problemlösungen im amerikanischen Sinne beteiligt. Unter der Fassade einer verlässlichen Partnerschaft verhindern grundlegende Interessenunterschiede die von vielen beschworene gemeinsame Handlungsfähigkeit.
Das Kreuz mit den Werten werden wir wohl tragen müssen. Eine »wertegebundene Außenpolitik« ist entweder selbstverständlich oder rein symbolische Wortklauberei, im schlimmsten Fall der Versuch, die Schwächen der eigenen Politik zu übertünchen.
Das wachsende Selbstbewusstsein gerade von Aufsteigerstaaten macht es für den Westen immer schwieriger, in Anbetracht offenkundiger Glaubwürdigkeitslücken als Lehrmeister der übrigen Welt aufzutreten.
5 WELTORDNUNGSDEBATTEN
Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der Anderen
Eine fehlende neue Weltordnung zu beklagen, ist zum Standardkommentar in der internationalen Presse und in entsprechenden Publikationen zu den Veränderungen seit 1989 geworden. 56 Aber ist das so zutreffend? Die Welt hat immer eine Ordnung, auch wenn die Rahmenbedingungen, Strukturen und Machtverhältnisse sich verändern oder uns nicht gefallen. Trotz aller theoretischen Argumente für eine gegenteilige Betrachtung bleibt »Macht« in all ihren politischen, ökonomischen und militärischen Dimensionen die Grundwährung dieser Ordnung. Aber auch »Machtwährungen« ändern sich ständig. Sie haben mit geografischer Lage, Bevölkerungswachstum, Bildungsniveau, ökonomischer Leistungsfähigkeit, militärischen Kapazitäten und politischer Legitimität zu tun. Vor allem aber haben sie mit Größe zu tun. Je größer, desto besser, scheint eine der Maximen zu sein, mit denen wir üblicherweise Machtfragen behandeln. Für ein Land wie China ist das natürlich ein gefundenes Fressen. Alle Zahlen zu China sind beeindruckend groß. Was immer man an verfügbaren Daten nimmt, multipliziert man sie mit 1,3 Milliarden, werden sie groß. Allerdings gilt auch das Umgekehrte: Berechnet man Pro-Kopf-Größen, werden sie entsprechend klein. Hier eröffnen sich ungeahnte Spielräume, bestimmte Prognosen und Einschätzungen praktisch nach Belieben zu interpretieren und gelegentlich auch zu manipulieren. Letztendlich bestimmt auf diese Weise schon die Auswahl der Kriterien das Ergebnis.
Der Währungsmix der internationalen Politik ändert sich, die darauf basierende Ordnung eben auch. Wie man seine eigenen Interessen in diesen komplexen Machtverschiebungen dauerhaft zur Geltung bringen kann, ist die entscheidende Frage für alle Regierungen der Welt. Deshalb verwundert es eigentlich nicht, dass immer wieder Stimmen ertönen, die die Schaffung einer neuen Weltordnung fordern, ja zu einem Gebot der Stunde in den gegenwärtigen internationalen Beziehungen erklären. Dahinter steckt weniger die Sorge um die restliche Welt, sondern der Versuch der westlichen Welt, Ordnungselemente zu schaffen, die der eigenen Interessendurchsetzung besser dienen als bestehende Strukturen.
Schon der Begriff »Weltordnung« legt etwas Dauerhaftes und Beständiges nahe. Und emotional und psychologisch verständlich ist auch die Suche nach festen und verlässlichen Ordnungen, in denen politische Entscheidungsfindung und Interessendurchsetzung ablaufen können.
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