Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Sandschneider
Vom Netzwerk:
kommen. Und bei der Wirtschaftskraft schwächeln eben just die Amerikaner.« 55 Das war so vor zehn Jahren nicht unbedingt zu erwarten. Der Truthahn lässt grüßen.
    Es ist also an der Zeit, Abschied zu nehmen von der Vorstellung, dass der Westen die Regeln der Weltpolitik kraft seiner überlegenen Werte praktisch im Alleingang bestimmt. Es liegt nicht mehr in unserer Macht, die Welt so zu verändern, wie wir sie gerne hätten. Wir werden weder unsere eigene Position noch die Lösungsmöglichkeiten für globale Probleme dadurch verbessern, dass wir mit erhobenem Zeigefinger belehrend und besserwisserisch gegenüber anderen auftreten. Und natürlich ist es überfällig einzugestehen, dass wir auch in Zukunft mit Autokratien und Diktaturen zusammenarbeiten werden, weil wir sie brauchen, um unsere eigenen Bedürfnisse (etwa nach Ressourcen) zu befriedigen oder anstehende Probleme nur mit ihnen gemeinsam lösen können.
    Zu den Grundmustern dieser Debatte gehört, dass man es offiziell weit von sich weist, dass es Sinn, Ziel und Aufgabe auswärtiger Kulturpolitik ist, in anderen Ländern Veränderungen im Sinne deutscher (oder westlicher) Wertevorstellungen zu erzielen. Theorie und politische Korrektheit verlangen nach einer Begründung entsprechender Initiativen im Rahmen einer Politik »auf gleicher Augenhöhe«. Auch in unseren Diskursen haben Werte propagandistischen Beigeschmack.
    Die Debatten um die Ausstellung »Kunst der Aufklärung« im April 2011 in Peking, die zeitnahe Verhaftung des Künstlers Ai Weiwei und der Umgang Chinas mit dem inhaftiertenLiteraturnobelpreisträger Liu Xiaobo haben wieder einmal dazu geführt, dass überzogene Forderungen nach Abbruch des Kultur- und Wertedialogs mit China erhoben werden. Aber wer geht schon nach Peking, um »nur« nette Bilder aus der Zeit der europäischen Aufklärung, der vielleicht wichtigsten Umbruchphase unserer Geschichte, zu zeigen. Ein Schelm, der auch daran denkt, dass die Ereignisse im damaligen Europa Signalwirkung für das heutige China haben könnten. Natürlich ist das so. Und es ist auch nicht schlecht oder kritikwürdig. Wer Kultur im Gepäck hat, erspart sich offene Verlogenheit, wenn er öffentlich zugibt, dass er auch Interessen im selben Gepäck mit dabeihat.
    Dies mögen Gutmenschen zwar kritisieren, aber es ist nicht verwerflich, im Übrigen auch ohne machbare Alternative und daher letztlich der eigentliche Sinn unserer Bemühungen.
    Die Werte der anderen werden uns zudem mit immer größerem Selbstbewusstsein entgegengehalten. Selbst wenn wir sie ablehnen, können wir uns dieser machtpolitischen Realität nicht entziehen. Gleich welcher Qualität und welchen Ursprungs sie auch sein mögen – Werte sind nicht verhandelbar, Interessen schon. Der Glaube an die Gültigkeit eigener Werte schafft nicht automatisch die Legitimität und Glaubwürdigkeit, sie auch weltweit durchsetzen zu können. Und selbstverständlich Erkennbares sollte offen angesprochen und nicht hinter vorgehaltener Hand, geradezu verschämt im Gebetsmühlenstil schöngeredet werden. Die Realität ist eine andere und sie lässt sich einfach beschreiben:
    Auswärtige Kulturpolitik ist wesentlicher Teil der »Soft Power« eines Staates und sollte auch als solche genutzt werden. Gerade in schwierigen Zeiten und auch in Krisenregionen ist Rückzug als Sanktion kein zielführender Weg. Sonderlich beliebt ist westliche Wertepolitik bei den Diktatoren und Autokraten dieser Welt ohnehin nicht. Wo es keine Liebe gibt, ist die Drohung mit Liebesentzug der falsche Weg. Kein Diktator der Welt lässt sich von der Drohung, Kulturbeziehungen und Wertedialoge abzubrechen, aus der Ruhe bringen. Diese Beziehungsebene zu pflegen, ist in unserem Interesse und im Interesse der Menschen vor Ort, die häufig nur auf diese Weise Alternativen zu ihrer eigenen Realität erfahren können.
    Durchhalten und wenn möglich noch mehr tun, sollte die Forderung an auswärtige Kultur- und Wertepolitik also lauten. Den immer wieder zu beobachtenden Versuchen, durch entsprechende Medienkampagnen sowohl Unternehmen als auch Kulturinstitutionen in die Ecke des Versagens oder der Anbiederung zu drängen, muss dringend mit einem größeren Selbstbewusstsein der Betroffenen begegnet werden.
    Die Werte, die Europa selbst glaubhaft und effizient umsetzt, werden sich auf Dauer durchsetzen. Nicht weil sie in
Verträge hineingeschrieben und gegen den Widerstand der Betroffenen erzwungen werden, sondern weil sie wegen ihrer

Weitere Kostenlose Bücher