Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Sandschneider
Vom Netzwerk:
zu tun, den eigenen Einfluss auf globale Entscheidungen zumindest nicht unter die Schmerzgrenze der Bedeutungslosigkeit sinken zu lassen. Wenn die Europäer in der Lage wären, den Pol Europa in der multipolaren Welt nach der Krise handlungs- und wettbewerbsfähig zu halten, wäre schon viel gewonnen. Das ist aus der Sicht von Europas Nachbarn und Konkurrenten längst noch nicht ausgemacht.
    Die Außensicht auf Europa ist so vielschichtig wie die Perspektiven, die man wählen kann. Und die Frage, was die Welt von Europa erwartet, ist eine dieser Fragen, die sich Europäer gerne stellen, wenn sie sich in ihren Zweifeln an der eigenen Wichtigkeit und Zukunftsfähigkeit bestärken wollen. Den Katalog der Erwartungshaltungen kann man beliebig aufblättern: weniger Protektionismus, Öffnung der Märkte, internationale Lastenteilung, offene Grenzen, keine Bevormundung. Je nach Politikfeld und Betrachter eröffnet sich eine schillernde Vielfalt von Rollen für Europa: Wirtschaftsmacht, Ordnungsmacht, Militärmacht, Wertemacht.
    Europa als Selbstbedienungsladen für externe Befindlichkeiten. Dabei ist die Frage bestenfalls sekundär, denn es ist immer ein Zeichen von Schwäche, externe Erwartungen zum Maßstab eigenen Handelns zu machen. Dies gilt, wie im richtigen Leben, auch für Europa: Was Europa für die Welt ist, welche Erwartungen es erfüllen will und welche nicht, bestimmen ausschließlich die Europäer. Und sie sollten es tunlichst entlang ihrer eigenen Interessenlagen tun, so schwer es auch in der Regel sein mag, einen Interessenkonsens herzustellen.
    Europa kann nur für sich selbst Verantwortung übernehmen. Ob es seine Entwicklungshilfezusage von 0,51 Prozent des BSP einhält, bleibt in dieser Frage eigentlich ohne Belang – solange mit diesem Engagement der Verdacht der politischen Bevormundung verbunden bleibt. Ironie der Geschichte: Angesprochen auf Chinas Rolle in Afrika sagte der derzeitige Chefökonom der Weltbank, Justin Lin, ein enger Berater der Regierung in Beijing, im Frühjahr 2008 in einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin: »Ich weiß gar nicht, was ihr Europäer wollt. 300 Jahre habt ihr Afrika entwickelt. Und wir alle kennen das Ergebnis. Jetzt helfen wir euch. Ihr solltet froh sein.« Warum nur will diese Freude nicht aufkommen? Vielleicht weil die Staatschefs Afrikas auf dem letzten EU-Afrika-Gipfel zwar dankenswerterweise eine »strategische Partnerschaft« mit Europa akzeptiert haben, aber Wirtschaftsverträge mit Good-Governance-Klauseln schlicht nicht unterzeichnen wollten. Längst steht eine Autokratie wie China mit attraktiven Alternativen bereit, in offene Konkurrenz zu Europa und seinen Modellvorstellungen globaler Politik zu treten.
    An dieser Stelle wartet auf Europa eine sicherlich schmerzliche Erkenntnis. Die Zeiten sind vorbei, in denen man im globalen Kontext mit dem unbestrittenen Selbstbewusstsein auftreten konnte, die jeweils besseren Lösungen für anstehende Probleme zu haben. Längst schlägt den Europäern dasgewachsene Selbstbewusstsein insbesondere aus den erfolgreichen Schwellenländern offen entgegen. In keinem Fall ist das besser belegbar als in den Veränderungen der Einstellung Chinas zur Europäischen Union und den politischen Vorstellungen, die von ihren Vertretern gerne ins Feld geführt werden. Vor einigen Jahren noch kamen chinesische Delegationen in großer Zahl nach Europa, um den Europäern zu versichern, dass sie von den europäischen Erfahrungen lernen wollten. Das galt für den Bereich der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik genauso wie für Fragen der Sicherung von Großveranstaltungen im Vorfeld der Olympischen Spiele in Beijing oder die Organisation von Rechts- und Verwaltungsstrukturen. Dieses Ansinnen hat dem Selbstbewusstsein Europas gutgetan. Mittlerweile hat sich dieses Verhalten allerdings deutlich geändert. Chinesische Delegationen kommen heute nach Europa und wollen von ihren Gesprächspartnern »auf gleicher Augenhöhe« behandelt werden. Lehrstunden in Sachen Demokratie verbieten sie sich expressis verbis. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis China den Spieß umdrehen und von Europa erwarten würde, von China und seinen Erfahrungen zu lernen. Dieser Zeitpunkt ist längst gekommen. Die stellvertretende chinesische Außenministerin Fu Ying schreibt es den Europäern ins Stammbuch. »Europa muss das Lernen lernen«, 87 überschreibt sie einen Gastkommentar im Handelsblatt . Die Kritik Chinas an

Weitere Kostenlose Bücher