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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Olympias Camilla, die Tochter von Merates, entführen ließ.«
    Massiva hörte mit unveränderter Miene zu und sagte: »Sehr wohl möglich … Camilla ist bekannt für ihre Schönheit und Jungfräulichkeit. Ganz nach Olympias Geschmack. Entweder sie korrumpiert das Mädchen und zwingt es, an den Riten aktiv mitzuwirken … oder sie wird ihm eine passive Rolle zuteilen.« »Passiv? Was soll das bedeuten?«
    »Für manche Zeremonien wird das Blut von Jungfrauen benötigt.«
    Simon erschauderte. »Kannst du mir helfen? Sag mir, wo ich sie finde.«
    »Die Riten der Cottyttia beginnen heute nacht. Dort kannst
du sie suchen.«
»Wo finden sie statt?«
    »Komm, ich zeichne es dir auf. Dein Vorhaben kostet dich wahrscheinlich Kopf und Kragen, Simon. Aber du wirst einsehen, daß wir in der Vergangenheit die Wahrheit gesagt haben.«

    Simon sah den Priester mit scharfem Blick an. Massivas Gesicht verriet kein Gefühl.

    Man nannte sie Cotys. In Thrakien, Mazedonien, Athen und Korinth wurde sie wie eine Göttin verehrt. Seit Jahrhunderten verband man ihren Namen mit ausschweifenden Orgien – aber nie war ihr Ruhm größer gewesen als zur Zeit Olympias’, die ihr zu Ehren mit Schlangen tanzte. Zwar war sie nur der Teil eines größeren Übels, doch sie blühte auf und wuchs von den gequälten Seelen ihrer Anhänger und deren Opfer.

    Das Haus stand allein auf einem Hügel.
    Simon erkannte es anhand von Massivas Skizze. Es war Nacht; silbrig glänzte der Mondschein auf gereiftem Boden. Die Umrisse der Schatten verhießen Böses. Simons Atem dampfte weiß in der Dunkelheit. Auf steilem Weg näherte er sich dem Haus. Ein Sklave grüßte ihn am Tor. »Willkommen. Bist du Baptae oder Häretiker?«
    Baptae. Simon hatte von Massiva erfahren, daß die Anhänger von Cotys diesen Namen trugen.
    »Ich komme, um an der heutigen Cottyttia teilzunehmen, das ist wahr«, sagte Simon und erschlug den Sklaven.
    Im Haus brannte lediglich eine Öllampe. Simon entdeckte eine Tür, die in übel stinkende Dunkelheit führte. Er schritt hindurch und kroch nach unten, tief in den Bauch des Hügels. Die Tunnelwände waren mit glitschigem Moos bewachsen. Das Atmen in der dicken Luft fiel ihm schwer. In der Scheide klirrte sein Schwert – ein Geräusch, das Simon beruhigte. Nur mit Mühe fanden seine Sandalen Halt auf den schlüpfrigen Steinen, und je näher er ans Ziel kam, desto heftiger stampfte sein Herz. Die Kehle schien zugeschnürt zu werden. Als er Zeuge von Alexanders Wahnsinn geworden war, hatte ihn ein ähnliches Gefühl überfallen.
    Jetzt hörte er von ferne Gesang, ein halb ekstatisches Stöhnen, halb triumphales Grölen. Das Geräusch wurde lauter und reizte seine Ohren, bis er für einen Moment von der schrecklichen Ekstase cottyttianischer Zeremonien gefesselt wurde. Er widerstand dem Impuls zu fliehen und dem noch stärkeren Drang, an der Orgie teilzunehmen. Mit gezogenem, blitzendem Schwert rückte er vor. Die Waffe schenkte ihm Sicherheit, obwohl er immer noch nicht glauben konnte, daß in ihr eine übernatürliche Kraft wirkte.
    Fast greifbar wirbelte das Böse um ihn herum, während er weiterschlich. Sein kühler, kritischer Verstand war ihm nun von Nutzen. Ohne ihn wäre er den Verlockungen erlegen gewesen.
    Der Gesang brauste auf zu Ausbrüchen teuflischer Freude, und im Gebrüll hörte er einen Namen, der immer wieder gerufen wurde: »Cotys. Cotys. Cotys. Cotys.«
    Er war wie hypnotisiert von dem Lärm, wankte auf einen Vorhang zu und riß ihn zur Seite.
    Was er sah, ließ ihn einen Schritt zurückspringen.
    In der Luft lag dick der Rauch von Dufthölzern. Lange, schwarze Kerzen flackerten golden auf einem Altar, aus dessen Mitte eine Säule emporragte. An diese Säule war Camilla gefesselt. Sie hatte die Besinnung verloren.
    Aber noch mehr als dies ließ ihn der Anblick jener Wesen erschauern, die um den Altar herumschwärmten. Sie glichen weder Männern noch Frauen, sondern vielmehr Neutren, die früher vielleicht einmal männlich gewesen waren. Die Augen dieser seltsam schönen, jungen Wesen mit langen Haaren und schlanken, markanten Gesichtern glitzerten vor teuflischer Wonne. Auf einer Seite des Altars entdeckte Simon eine nackte Frau. Dem Gesicht nach mußte sie um die sechzig Jahre alt sein, doch ihr Körper, den große Schlangen kosend umringten, wirkte viel jünger. Mit gurrenden Lauten führte sie den Gesang an. Junge Frauen tanzten voller Elan und exaltiert mit den
    Neutren. »Cotys. Cotys. Cotys.«
    Die Kerzen

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