Der Eroberer
sich aus der größeren Einheit und fielen über das Blut der Gefallenen her.
Simon registrierte erleichtert, daß die geisterhaften Wesen den Rauch der Kräuter nicht durchdringen konnten. Inzwischen war der Raum von beißendem Gestank gesättigt.
»Nichts kann uns vernichten, Sterblicher!« grölte AhrimanCotys. »Töte weiter … gib uns noch mehr! Du magst entkommen, aber mit euch beiden werde ich noch mein Spiel treiben. Die Jäger meiner Sklavin Olympias werden euch über die ganze Erde hetzen. Ein Entkommen ist unmöglich. Wenn ihr erst einmal zu uns gehört, sollt ihr meine ergebensten Sklaven sein …«
Simon erreichte mit Camilla auf den Armen den Ausgang der Höhle und lief durch den schlüpfrigen Tunnel nach oben. Jetzt hatte er den Beweis. Jetzt konnte er es nicht länger ver
leugnen. Seine Augen wäre geöffnet worden.
Er wußte nun, daß die Vernunft von der Erde verschwunden war und die alten Götter erneut die Herrschaft übernommen hatten.
5. Kapitel
Der Körper war stark genug. Ahriman hatte ihn geprüft und zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Er hatte seinem Werk zeug übermenschliche Kraft und Gesundheit verliehen, die er zu seinen vermeintlich eigenen Interessen nutzte.
Alexander, der jetzt nur noch wenig persönlichen Willen be saß, war bereit. Bald würden alle Menschen Ahriman dienen, ihm unterworfen sein. Eine bisher unbekannte Finsternis würde über die Welt kommen. Für immer verschwänden Ormuzd und die Kräfte des Lichts.
Ahriman hatte viele Gesichter, viele Namen. Shaitan war ei ner davon.
Alexander versammelte seine Feldherren um sich. Sie waren ihm treu ergeben und gehorchten seinem Befehl. Auch sie sollten Ahrimans Werkzeuge werden und die Hölle auf Erden schaffen.
323 vor Christus. Eine Zeit mit bösen Vorzeichen. Ein Wendepunkt der Geschichte.
Alexander stand von seinem Lager auf. Er bewegte sich wie ein Automat und rief seine Diener. Sie wuschen ihn, kleideten ihn an und halfen ihm in die goldene Rüstung.
»Heil, Jupiter-Ammon!« grüßten sie, als er seine Gemächer verließ und den Saal aufsuchte, in dem seine Generäle und Berater auf ihn warteten.
Ptolemäus stand auf, als Alexander eintrat. Sein Meister war unverändert, und doch schien ihn eine seltsam entrückte Aura
zu umgeben.
»Zum Gruß, Jupiter-Ammon«, sagte er mit tiefer Verbeugung. Gewöhnlich weigerte er sich, Alexander mit dem Namen des Gottes anzureden. Aber heute war er weniger standhaft. Vielleicht dachte er an seinen engen Freund Clitus, der in Bactria von Alexander getötet worden war.
Auch Anaxarchus verbeugte sich, wie die anderen zehn Männer.
Alexander nahm in der Mitte eines langen Tisches Platz. Die Lederriemen seiner goldenen Rüstung knirschten, als er sich setzte. Landkarten und Speisen bedeckten den Tisch. Er stopfte sich ein Stück Brot in den Mund und rollte kauend eine Karte auf. Die zwölf Männer warteten nervös auf seine Worte. Ohne die Augen von der Karte abzuwenden, hob Alexander seinen Kelch. Ptolemäus schenkte ihm aus einem langschäftigen Kupfergefäß Wein ein. Alexander leerte den Kelch mit einem Schluck. Ptolemäus füllte ihn wieder auf.
Simon und Camilla waren aus Pela geflohen. Wie ein klammer Umhang lag die Nacht über ihnen. Blitze zerschnitten den Himmel, der Regen traf ihre Gesichter wie kleine Lanzen. Camilla ritt schweigend hinter Simon her. Gemeinsam flohen sie, vom Schrecken beherrscht, nach Osten.
Im Rücken hörten sie die Jäger Olympias – bellende Hunde, schmetternde Hörner und wilde Rufe, die die Hunde anstachelten. Diese Jäger zählten nicht zu den Sterblichen, sondern waren von Ahriman an Olympias entliehen worden. Beide trieben ihr Spiel mit den Flüchtigen.
Simon und Camilla bekamen hin und wieder ihre Verfolger zu Gesicht – legendäre Wesen, Nachkommen des Zerberus, dem dreiköpfigen Wachhund des Hades; Hunde mit schlangenhaften Schwänzen; mit Schlangen, die sich um ihre Hälse wanden; große flache Köpfe mit scheußlichen Augen und riesigen Zähnen.
Die Jäger ritten auf Nachfahren des Pegasus, dem geflügelten Pferd, das durch die Lüfte schwebt, weiß und herrlich, schnell wie der Nordwind.
Auf den Rücken dieser Pferde – die Jäger: die grinsenden Schatten gestorbener Verbrecher, vom Hades ausgespuckt, um Ahrimans Werk zu tun. An ihrer Seite galoppierten Leopardenfrauen, die Mänaden, Dienerinnen des Bacchus.
Ihnen folgte kreischend eine Horde von Scheusalen, Dämonen und Werwölfen, die von den Tiefen der Hölle
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